Plädoyer für ein verschupftes Metier

Niklaus Meienberg: Ausgewählte Reportagen

Aus Anlass des sechzigsten Geburtstages bringt der Limmat Verlag posthum eine ausgezeichnete Auswahl von seinen Reportagen heraus.

Die Reportage gilt als vergängliche literarische Form, die kaum über die Aktualität hinaus wirksam ist. Dennoch gibt es Ausnahmen wie Georg Forster mit seinen „Ansichten vom Niederrhein“ oder der rasende Reporter Ernst Egon Kisch. Innerhalb der Schweizer Literatur kommt Niklaus Meienberg ein ähnlicher Stellenwert zu.

In dem Lyrikband "Geschichte des Liebens und des Liebäugelns" hat er 1992 seine literarische Kraft auf traditionellem Gebiet bewiesen. Wie keiner schöpft er aus dem poetischen Volksvermögen. Mal trivial, mal taktlos, ohne Scheuklappen demonstriert Meienberg dabei aussergewöhnliches Feingefühl.

Dieser sprachliche Reichtum, die den Spott von Karl Kraus mit barocker Bilderfülle mischt, prägt den Stil der Reportagen und verleiht ihnen eine ganz und gar eigenständige Qualität. In der nun vorliegenden Auswahl lassen sich die Meienbergschen Glanzstücke thematisch locker geordnet wiederlesen.

Glanzstücke der Reportage

Auch wenn die tagesaktuellen Bezüge zwangsläufig verblasst sind, haben Texte wie das beinahe sprichwörtliche „Da taar me nöd“, die „Adventsansprache“ vor den Zürcher Reklamikern, „Apocalypse now im Berner Oberland“, „Zug, sein Charme und seine Zuzüger“ oder „Vielleicht sind wir morgen schon bleich u. tot“ kaum etwas von ihrer satyrischen Kraft und Eindringlichkeit verloren.

Dies bewirkt vor allem die Sprache. Meienberg erscheint als ein geharnischter Reiter mit spitzer Feder. Er ist kompromisslos, giftig, unverblümt, unerbittlich, zugleich aber auch bewundernswert virtuos in seinen rhetorischen Mitteln, insbesondere dem Gebrauch dialektaler Wendungen. Vor allem letzteres hat ihm bis heute keiner nachgemacht.

Verletzlich unter dem Harnisch

Unter diesem Panzer der pointierten und brillanten Angriffigkeit verbirgt sich allerdings eine tiefe Verletzlichkeit. Davon zeugt zum Beispiel „Wargasm on Constitution Avenue“ über den Golfkrieg. Hierin wird eine tiefe Niedergeschlagenheit spürbar: „Wozu noch schreiben? Alles ist gelaufen.“

Zum anderen machen Berichte aus dem eigenen Leben betroffen, allen voran „Der souveräne Körper - ein veräusserliches Menschenrecht“, eine bestürzende Reaktion darauf auf einen nächtlichen Überfall im September 1992. Er raubte dem Riesen Meienberg den „angstfreien Organismus“, impfte ihm Angst ein.

In den beiden Bänden ist nachzulesen, wie Niklaus Meienberg die helvetische Reportage zur Vollendung gebracht hat. Er hat dafür eine unnachahmliche Sprache gefunden, die nur bei ihm so triezen und schurigeln kann. Dafür gebührt ihm Lob - doch nicht von allen Seiten, ist zu hoffen.

Beat Mazenauer

 

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