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Ernst Halter

  Ernst Halter
 

Ernst Halter
est né en 1938 à Zofingue (Zofingen) . Il a publié son premier livre en 1970. Il a par la suite publié plusieurs romans, notamment Urwil (AG) en 1975, Die silberne Nacht en 1977, Die Spinne und der Spieler en 1985, ainsi que Das Buch Maraen 1988 et Irrlicht en 1995. Un autre recueil de poèmes intitulé Aschermittwoch a été publié en 1990.

Ernst Halter est marié a Erika Burkart, poétesse et romancière. Il vit à Aristau près de Muri dans le canton d'Argovie.

Présentation de l'Inédit proposé

Les poèmes présentés ci-dessous sont tirés d'un recueil inédit intitulé Arktische Zeit. Il s'agit d'un recueil composé de six parties: Witterungen, Tagwerk, Biographie ohne Akten, Obsession, Double, Fremdes Licht.

 

  Inédit
 

Tod einer Wespe

Den Winter hatte sie vermutlich
in einer Ritze ausgedauert,
mit Motten, Asseln, Spinnen
gekrallt in Morsches
und ins fahle Schneelicht gekauert,
das mit ihrem Atem
alle Tage kurz durch eine Luke drang.

Wärme dehnte den Spalt,
und sie verlor den Halt der Schlafstarre,
fiel
an Fenstern vorbei durch pollengelbe Helle
aufleuchtend in den April,
kroch mit geschlossenen Flügeln
zwischen Fusseln und Dreck
nach einem wandernden Sonnenfleck.

Ich umging sie auf den grauen Fliesen,
ihre Tagesleistung schrumpfte,
mit Schlagseite lag sie,
das Zwergmodell eines gelbschwarzen Dampfers.
Sechsunddreissig Stunden kämpfte sie,
zwölfmal länger als "Titanic".

Heut morgen, gekentert,
angewinkelt den Unterleib,
die Beine gefaltet
in der Beterstellung der toten Insekten,
vom Schritt des Postboten weggeschleudert,
war sie Kehricht.
Der Trauer noch sichtbar.

IV. 1988


Tramp, Leicester Square

Fünfundzwanzig Jahre war ich
Soldat wie mein Alter.
Geboren wurd ich in Birkenhead am Mersey,
in Marseille Legionär mit siebzehn
und hab in der letzten halben Stunde
sechs Leute von dieser Bank gejagt.
Die ist mein.

Arabisch hab ich in Marokko gelernt
und Kinder in Holland, Frankreich, Tschad.
Beib sitzen, du , dein Gesicht gefällt mir.
Hast du Feuer? Ein Schwein
hat mir die Zigaretten gestohlen.

Sechs Leute, sag ich dir.
Beim Töten einzig wichtig ist,
dass du lebend davonkommst,
ein Dreckgeschäft wie ein andres.
Schluss mit dreiundvierzig,
einmal musst du dich entscheiden.
Rock Hudson war der grösste und hat
mit achtunddreissig angefangen -
Zeit, dass auch ich.
Willst du Bier ?
Ich habe noch nicht getrunken.

Im Wallis war ein Mädchen wild auf mich
mit Hof und Reben,
ich hab sie nicht geliebt,
ich bin kein Schuft und Bauer,
sondern ein freier Mann
und kann acht Tage ohne Alkohol sein.
Oder glaubst du mir nicht?

Du bist mein Freund.
Hast du heut abend was vor?
Kannst du Französisch?
J'ai pas le sou.
Komm, lass dich küssen
und gib mir deine Adresse.

Sechs hab ich umgelegt - nicht viel,
doch immer regulär,
ich schiesse keine Hasen und fress keinen Kohl.
Was verstehst du schon!
Jeder wehrt sich um sein letztes Stündlein.
Mir geht's.
Ich bin allein.
Glaubst du, ich wär bei dir zu Hause willkommen ?

VI. 1988

La grande Armée

Im Westen nichts Neues,
der Friede mit seiner Rettung beschäftigt,
die Proteste entsorgen sich selbst.
Die Wälder hinter Paris
verzehrt von Herbst und Sonne,
die Totenäcker verdauen Napoleons Glück.
Nur in der Nacht ertrinken die Kreuze
in einer schlammigen Flut,
sie schwemmt unter Ahnen und Enkeln
den Grund weg.
Am Morgen führen die Mütter
einsame Kinder auf Montparnasse:
Denkt euch das Goldene Moskau.

Im Osten Stieg über Sieg,
doch nicht zu halten der Sturz,
selbst die genaue Beobachtung
der brandgeschädigten Störche
und der Menschenleere lindert nicht das Entsetzen.
Die Truppen, die Tage schwinden,
an Biwakfeuern flimmert
das Requiem der Depeschen
durch den Schlummer der Kürassiere.
Am Morgen ein Blick in den Spiegelscherben
beim Rasieren und weg:
Sie gab sich Mühe zu lachen:
Auf Wiedersehn an Neujahr!
Und im Aschenhimmel ihrer Gedanken
treiben sie hinter Smolensk, Borodino
Sie ersteigen die nächste Kuppe.
das Fernrohr angeschlagen auf eine
unter tausen eisgrünen Brüsten:
Wo liegt das Goldne Paris?

II. 1994

Stosszeit II

Halb sechs und Dämmerung,
wir alle wollten nach Haus,
im Regen vor dem Rotlicht
fünfzig Wagen Katz und Maus.
Und ich sah, die voller Leere sind
trotz schwarzer Bilanz und Wachstumssprung
und die voller Schwere sind,
mürber Erschöpfung und Schlaf,
die in Kolonne mit Steingesicht
ihre Tage beginnen und enden,
die nach der Uhr mit fruchtlosen Händen
tun die gehasste Pflicht,
die ausgesteuert wurden am Steuer
drehn ihre Runden durch Eis und Feuer,
und die durch die Scheiben sperbern
nach Pelz, Busen und Bein,
die Funktelefone schwenken vor Brot und Wein,
die zwischen Beton und Blech sie an Flocken
und Flammen auf Scheitern erinnern,
die mit hundertein Pferden und Wut
im dröhnenden Käfig hocken
die abzutragen versuchen;
was Kummer zu Halden gehäuft
mit blutigem Fingerhut,
ich, sah, die selbst von der Spinne
nicht mehr zu wecken sind,
die über die offenen Augen läuft.

Und ich fragte mich, welches die Würden
und welches die Schrecken sind.

II. 1997

Hirnsehen

Erdhügel die Mütter,
Staubsäulen die Söhne,
in Panzerzügen kommen gefahren
zum Spiegelfechten unter dem Schädeldach
die Herrscher im Erdkreis,
S., H. und Tamerlan.
Ich seh sie und sehe sie nicht.
Weltsuppe im Hirn,
Zikadengesirr,
ich schüttle die Lösung,
sie bricht, und es schneit.
Sie schwanken verschwimmen,
Stille kehrt ein,
Auferstehungsende,
doch keine Gunst des Vergessens.
Es bleibt das ihre, das meine,
ein Gesicht.
Der Spiegel lächelt
wie Schänder von Kindern,
wie Tröster von Greisen;
dahinter im Finstern rollt
der Stein, nicht für uns,
der Weisen.

XII. 1996

Ernst Halter

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Page créée le 29.06.02
Dernière mise à jour le 29.06.02

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