Notre invitée de ce mois,
Chudi Bürgi, intervient ici au nom de Coordinarte :
un organisme qui a pour vocation de donner une visibilité
à des artistes, musiciens et écrivains issu
de l'immigration en Suisse. Coordinarte anime son propre
site, www.coordinarte.ch
Entretien
Français
- Deutsch
Coordinarte dient als Knotenpunkt
eines Netzwerkes, durch das zahlreiche ausländische,
in der Schweiz lebende und arbeitende KünstlerInnen entdeckt
und kontaktiert werden können. Wie ist dieses Projekt
entstanden?
Das Netzwerk coordinarte ist Teil der
Tätigkeit der Organisation "Kultur und Entwicklung",
die vor rund zwanzig Jahren von verschiedenen Schweizer Hilfswerken
als ihre gemeinsame Kulturstelle gegründet wurde. InitiantInnen
waren Personen wie Annemarie Friedli und Al Imfeld, die sich
seit langem für den kulturellen Reichtum Afrikas, Asiens
und Lateinamerikas begeisterten. Die Hilfswerke wollten den
Bildern von Hunger und Elend aus armen Ländern positive
Aspekte gegenüberstellen, die nicht einfach Mitleid wecken,
sondern Interesse und Respekt. Dies zu einer Zeit, als das
Kulturschaffen dieser Kontinente in breiten Schichten zumindest
der deutschsprachigen Schweiz kaum bekannt war und noch kaum
Kulturschaffende aus Afrika, Asien und Lateinamerika in der
Schweiz lebten. Unterstützt wurden damals Publikationen
und Lesereisen; daneben wurden einzelne Künstler für
Workshops eingeladen, um zum Beispiel ihr Wissen in traditioneller
Webkunst weiterzugeben. Coordinarte existiert als Netzwerk
mit breiter Präsenz im Internet seit etwa acht Jahren,
dokumentiert und schafft Öffentlichkeit für KünstlerInnen,
Veranstaltungen und zahlreiche weitere Informationen zu Kunst
und Kultur aus dem Süden in der Schweiz.
Das Netzwerk coordinarte ist auf
KünstlerInnen aus Asien, Lateinamerika und Afrika, sowie
einigen KünstlerInnen aus den Ländern Süd-Ost
Europas ausgerichtet und interessiert sich für diese
Entwicklungsländer. Ist coordinarte auch an der multikulturellen
Schweiz interessiert?
Aus obigen heraus wird klar, dass die
Organisation "Kultur und Entwicklung" - und mit
ihr das Netzwerk Coordiinarte - ihre Wurzeln in der Entwicklungszusammenarbeit
hat. Im Übrigen wird sie bis heute massgeblich von der
DDC mitgetragen. Im Verlauf der zwanzig Jahre haben sich die
Schwerpunkte jedoch verschoben: hin zu KünstlerInnen,
die in der Schweiz leben, und stärker auf die Kulturszene
ausgerichtet. Die geografische Ausrichtung auf Afrika, Asien
und Lateinamerika bleibt ein wichtiger Schwerpunkt, ist jedoch
nicht strikt zu verstehen. Die Unterstützung der multikulturellen
Schweiz ist ein wichtiges Anliegen; dass das Schwergewicht
auf nicht-europäische Länder gelegt wird, lässt
sich durchaus rechtfertigen, weil Klischees, Missverständnisse
und Unwissen die Begegnung prägen. Die Künstler
und ihr Schaffen können viel zu einer Öffnung und
zu einer differenzierten, lockereren Wahrnehmung beitragen.
Coordinarte versucht auch Verbindungen zwischen der Romandie
und der Deutschschweiz zu schaffen; die KünstlerInnen
leben oft in zwei getrennten Welten, treten kaum in der anderen
Sprachregion auf.
Coordinarte befindet sich im übrigen in einer grossen
Umbruchphase; bis Ende 2007 könnte es im Tätigkeitsfeld
weitere Veränderungen geben; die Trägerschaft wird
auch nicht mehr von Hilfswerken bestimmt sein.
Wurde an eine Beteiligung dieser
AutorInnen an der ch Reihe gedacht? (Die ch
Reihe spielt eine entscheidende Rolle als Förderer von
Übersetzungen literarischer Werke zwischen den nationalen
Sprachen).
Wir sehen unsere Aufgabe darin, für
Literatur in der Migration eine Öffentlichkeit herzustellen
und für spezifische Fragen in diesem Zusammenhang zu
sensibilisieren. So hat zum Beispiel die Diskussion um das
Buch " Küsse und eilige Rosen " zur Folge gehabt,
dass einzelne kantonale Förderstellen auch Manuskripte
akzeptierten, die nicht in einer der vier Landessprachen geschrieben
wurden. Inwieweit die ch Reihe eine solche Öffnung auch
in Betracht ziehen würde, wäre zu prüfen.
Ist die Arbeit von coordinarte Ihrer
Meinung nach durch die multikulturelle Tradition der Schweiz
begünstigt? Wissen Sie, ob es ähnliche Projekte
in anderen Ländern gibt und ob sie institutionelle Anerkennung
genießen?
Möglicherweise liegt es neben
der spezifischen Tradition von mehreren Kulturen daran, dass
die Schweiz ein kleines Land ist, wo eine kleine Organisation
wie unsere relativ vieles shcweizweit dokumentieren kann.
Es gibt jedoch in verschiedenen europäischen Ländern
Institutionen, die zumindest teilweise vergleichbar sind.
Am nächsten steht uns "Kulturen in Bewegung "
des VIDC in Österreich. Auch in Deutschland gibt es ähnliche
Stellen, die jedoch segmentierter sind, auf einzelne Länder
oder einzelne Sparten bezogen (wie etwa die " Gesellschaft
zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika
" in Frankfurt). In den Benelux-Ländern und in Skandinavien
sind uns ebenfalls Institutionen bekannt, die aus der Entwicklungszusammenarbeit
und/oder der Migrationsdiskussion herausgewachsen sind.
Wie denken Sie nimmt die Schweizer
Kulturszene die von Ihnen vertretenen KünstlerInnen auf?
(Sind schon Zusammenarbeiten zwischen schweizerischen und
immigrierten KünstlerInnen durch coordinarte zustande
gekommen?)
Oft werden Künstler aus Afrika,
Asien und Lateinamerika mit bestimmten Erwartungshaltungen
des Publikums konfrontiert. Man erwartet von ihnen das "
Typische " : Ein Afrikaner soll trommeln und Märchen
erzählen, ein Argentinier Tango spielen und eine Araberin
über das Kopftuch schreiben etc. Jeder Künstler
sucht eigene Wege mit diesen Erwartungshaltungen umzugehen
: Er passt sich ihnen an und setzt ganz auch das Exotische
seiner Herkunft, durchbricht sie, spielt mit ihnen, kehrt
sie um oder ignoriert sie.
Je länger Künstler in der Schweiz leben, desto öfter
ergeben sich natürlich Kollaborationen mit Schweizer
Künstlern. Selbstverständlich begrüssen wir
solche Projekte, ohne sie zu idealisieren oder erzwingen zu
wollen. Eine solche Zusammenarbeit ist nicht per se schon
qualitativ überzeugend, sondern braucht oft einen langen
Schnauf und eine grosse Bereitschaft von beiden Seiten, einander
zuzuhören. Der Südkulturfonds legt im übrigen
viel Wert darauf, dass die Künstler aus Afrika, Asien
und Lateinamerika in einem solchen Projekt eine tragende Rolle
haben. Es kommt gerade bei musikalischen Projekten imme wieder
vor, dass (mittelmässige) Schweizer sich mit (oft hochkarätigen)
" exotischen " Musikern schmücken. Von wirklicher
künstlerischer Auseinandersetzung und Begegnung kann
dabei nicht die Rede sein.
Durch coordinarte kann man zahlreiche
Musiker -was nicht erstaunlich ist- und auch bildende Künstler
finden. Im Bereich der Literatur wird die Sprachproblematik
komplizierter (außer für einige afrikanische Schriftsteller,
die auf Französisch schreiben). Wie gehen Sie und die
betroffenen AutorInnen mit dieser Problematik um?
Den Autoren, die nicht in einer der
Schweizer Landessprachen schreiben, fehlt oft die breite Öffentlichkeit.
Ihre Öffentlichkeit befindet sich vielleicht im Herkunftsland
oder im engen Rahmen der Kulturvereine hier. Hier einen Verlag
zu finden, ist auch für Schweizer Autoren nicht einfach,
für fremdsprachige Veröffentlichungen und erst recht
für noch nicht publizierte Manuskripte fast unmöglich.
Öffentlichkeit schaffen ist unser Anliegen, aber die
Möglichkeiten sind begrenzt. Für Lesungen in kleinerem
Rahmen in der Deutschschweiz ist es z.B. wichtig, dass Texte
auf deutsch vorliegen und mit dem Autor auf deutsch kommuniziert
werden kann. Es gibt nicht viele Autoren, die diese Voraussetzung
zutrifft. Die Förderung von Übersetzungen ist zentral.
Der von Kultur und Entwicklung im Auftrag der DDC und der
Pro Helvetia verwaltete Südkulturfonds kann nur vereinzelt
zweisprachige Publikationen unterstützen, die einem Autor
Zugang zur Schweizer Leserschaft ermöglichen.
Wie entdecken Sie die in der Schweiz
immigrierten AutorInnen? Inwiefern kommen diese zu Ihnen und
inwiefern suchen Sie sie auf?
Es gibt immer wieder AutorInnen, die
sich mit uns in Verbindung setzen und uns ihre Manuskripte
zusenden. Grundsätzlich bin ich einfach neugierig: Durch
die langjährige Arbeit in diesem Bereich, früher
auch als Literaturjournalistin, bin ich hellhörig auf
neue Namen und gehe diesen nach. Wir möchten die AutorInnen
dokumentieren; qualitativ herausragende Entdeckungen sind
dabei nicht allzu häufig.
Eine qualitative Einschätzung
ist wahrscheinlich aus sprachlichen Gründen in den meisten
Fällen praktisch unmöglich. Wie gehen Sie mit dieser
Schwierigkeit um?
Wir versuchen Fachpersonen beizuziehen
und möglichst verschiedene Meinungen von LeserInnen einzuholen.
Glücklicherweise ist es als Dokumentationsstelle nicht
notwendig, es eindeutiges Urteil zu einem Werk zu haben. Eine
gewisse Einschätzung ist jedoch möglich.
Bei den Menschen, die ihr Land aus
politischen Gründen verlassen haben, kann man sich vorstellen,
dass sie nur ihre Arbeit fortsetzen möchten. Vorstellbar
ist aber auch, dass es ihnen darum geht, dem Schweizer Publikum
eine Art Erlebniserfahrung zu schildern. (Zum Beispiel Yusuf
Yesilöz mit seinem auf Deutsch geschriebenen Buch Reise
in die Abenddämmerung.) Vielleicht geht es auch darum,
das Publikum in ihren Herkunftsländern weiter zu erreichen,
ohne sich in Gefahr zu begeben. Welche Varianten sind erfahrungsgemäß
die häufigsten?
Man muss unterscheiden zwischen denjenigen,
die bereits in ihrem Herkunftsland literarisch tätig
waren und denjenigen, die im oder durch das Exil zum Schreiben
kamen. Für erstere - dies trifft etwa auf viele der Lyriker
aus dem Kosovo zu, die in der Deutschschweiz leben - ist das
Weiterarbeiten wichtig und ihr Bezugsrahmen bleibt sehr oft
das Herkunftsland und die Diaspora. Für andere hat die
Extremsituation Flucht und Exil das Schreiben erst notwendig
oder möglich gemacht, sei es zur Aufarbeitung traumatischer
Erfahrungen oder zur Sicherung der eigenen Identität
in der Fremde. Ihr Schreiben ist direkt mit der Migration
verbunden und richtet sich deshalb oft auch an ein schweizerisches
Publikum. (Welcher " cas " häufiger ist, ist
etwas schwierig zu sagen. Unter den gestandenen Autoren sicher
der erste Fall)
1998 haben Sie zusammen mit Christine
Tesch und Anita Müller das Lesebuch Küsse und
eilige Rosen. Die fremdsprachige Literatur der Schweiz
herausgebracht. Es war die erste Anthologie schweizerischer
Immigrationsliteratur, die ich gelesen habe und wahrscheinlich
ist es die erste, die es überhaupt gibt. Sie hat mich
sehr beeindruckt. Es war wie eine unerwartete Tür, die
sich öffnete, und dahinter gab es eine komplexe Realität,
sowohl sozial als auch literarisch, die das Lesebuch aber
nur suggerieren konnte. Das Lesebuch hat für die Anerkennung
einer sogenannten "fünften Literatur der Schweiz
" eine entscheidende Rolle gespielt, obwohl eine solche
Bezeichnung strittig und auch nicht besonders gelungen ist;
anders die Bezeichnung, welche Sie als Untertitel des Lesebuches
gewählt haben. Als die Anthologie erschienen ist, war
der Begriff der "fünften Literatur der Schweiz "
ganz neu, für mich zumindest. Dazu eine erste, sehr allgemeine
Frage: wie ist dieser Begriff entstanden und wie hat er sich
entwickelt? Wie wurde er in der Fachwelt aufgenommen? Und
wie die "fünfte Literatur"?
Der Begriff " fünfte Literatur
der Schweiz " wurde damals meines Wissens (ich habe mich
heute noch mit Ch. Tresch unterhalten, die das ähnlich
in Erinnerung hat) von Christoph Vitali geprägt, dem
Leiter des Schweizer Auftritts als Schwerpunktland an der
Frankfurter Buchmesse. Er hatte das Buch " Küsse
und eilige Rosen " zum Anlass genommen, verschiedene
in die Schweiz migrierte Autoren an die Messe einzuladen.
Als Eröffnungsredner lud er neben Autoren der vier Landessprachen
den in der Schweiz lebenden libyschen Autor Ibrahim al-Koni
ein, sozusagen als Vertreter der " fünften Literatur
". Der Begriff wird seither immer mal wieder verwendet
(sogar auf unserer Webseite, wie ich feststellen musste !)
; er scheint uns nicht sehr glücklich gewählt ,
weil AutorInnen der unterschiedlichsten Herkunftsländer
und Sprachen als geschlossene Gruppe dargestellt werden. Ein
albanischer Lyriker und eine karibische Autorin autobiografischer
Texte haben relativ wenige Erfahrungen auf sprachlicher und
literarischer Ebene gemeinsam.
In der Deutschschweiz haben AutorInnen
wie Catalin Dorian Florescu, Aglaja Veteranyi oder Yusuf Yesilöz
die Existenz eingewanderter AutorInnen für eine breitere
Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Es gibt in den letzten
Jahren vermehrt Lesungen und Gesprächsrunden (siehe z.
B. Literaturfestival Basel 5. Mai, 18.00 : " Über
Sprachgrenzen hinaus. Schreiben, fremd sein in der Schweiz
und schreiben in einer fremden Sprache " ; Lesungen und
Diskussion mit Zsuzsanna Gahse (Ungarn/Schweiz) und Dusan
Simko (Slowakei/Schweiz)), ja auch universitäre Angebote
zum Thema " Literatur und Migration ", die sich
auf Autoren in der Schweiz beziehen. Der Schriftstellerverband
trägt den eingewanderten Autoren insofern Rechnung, als
dass im Vorstand ein eingewanderter Autor Einsitz hat ; nach
Dragica Rajcic ist das neu Francesco Micieli. Der Verband
möchte aber ansonsten keine Unterschiede zwischen eingewanderten
und eingesessenen Autoren machen - insofern zu recht, als
die Sonderbehandlung als Migrierter, die Anwendung einer Art
" Exotenbonus ", der künstlerischen Leistung
nicht gerecht wird. Das Ziel muss eine gleichberechtigte Wahrnehmung
und Unterstützung des literarischen Schaffens aller in
der Schweiz tätigen AutorInnen sein, die sich an der
Qualität des Werkes orientiert - so wie es Feuxcroisés
auf vorbildliche Weise tut. Auf dem Weg zu diesem Ziel sehe
ich mich als eine von denen, die Teilchen beifügt, Kontakte
vermittelt, Knoten knüpft. Diese sind vor allem da wichtig,
wo eine Sprache, ein kultureller Hintergrund oder auch eine
einzelne Persönlichkeit nicht leicht zugänglich
sind.
Eine zweite, eine persönlichere
Frage: wie hat sich Ihre Beschäftigung mit diesen Schriften
seither verändert?
Die Beschäftigung mit der
Literatur eingewanderter AutorInnen ist für mich immer
noch ein spannendes Thema, dem ich in Zukunft eigentlich gerne
mehr Zeit widmen möchte. Ich war jedoch immer etwas widersprüchlich
in meinem Interesse: Auf der einen Seite bin ich eine begeisterte
Leserin und ausgebildete Germanistin mit einem gewissen Gespür
für Sprache und Qualität. Auf der anderen Seite
interessierte mich immer auch die soziale Ebene der literarischen
Tätigkeit. Wer z. B. eine Extremsituation - zu der man
die Migration, das Exil zählen kann - schreibend, literarisch
zu bewältigen sucht, sollte dabei unterstützt werden.
Dabei interessieren mich auch autobiografische Texte.
Man sollte jedoch nicht zu grosse Erwartungen haben und glauben,
es wären abgesehen von den bereits bekannten Autoren
viele Neuentdeckungen zu machen. Mich interessiert grundsätzlich,
wie Menschen ihre Migrationserfahrung künstlerisch und
eben literarisch umsetzen, wie sie sich orten zwischen dem
Dort und dem Hier und mit welcher Sprache sie dieser spezifischen
Erfahrung gerecht zu werden versuchen.
Propos recueillis par Francesco
Biamonte
Traduit de l'allemand par Yves Rosset
Page créée le 14.04.06
Dernière mise à jour le 14.04.06
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