Traduction
du texte en français
(Ausschnitt aus dem von
Sales Kleeb im Auftrag der 100-Jahrfeier der Musikgesellschaft
«Lonza» und der obligatorischen Musiklehrerfortbildung
der Allgemeinen Musikschule Oberwallis am 18.9.1998 in Gampel
gehaltenen Referat über «Musikerziehung»)
Nicht nur Erziehung
zur Musik, sondern Erziehung durch Musik
Mit der musikalischen
Ausbildung und mit dem musikalischen Tun werden Eigenschaften
geschult wie Präzision, Pünktlichkeit, rhythmische
Genauigkeit, tonliche Sauberkeit, Geduld und Selbstbeherrschung.
Diese durch die Betätigung in Musik betriebene Willensschulung
und die sich hier angeeigneten Eigenschaften übertragen
sich aber auch auf andere Tätigkeitsfelder und andere
Lebensbereiche. Im gemeinsamen Musizieren lernt man zudem,
sich einzuordnen, sich - wenn es die Klangbalance verlangt
- auch unterzuordnen. Man lernt, aufeinander zu achten, aufeinander
zu hören. Das Zusammenspiel wird so zu einer sozialen
Schulung - ja zu einer eigentlichen Lebensschule.
Musikerziehung trägt wesentlich
bei zur ganzheitlichen Entfal-tung des jungen Menschen.
Musik und Musikerziehung bringen den notwendigen Ausgleich
zur heutigen Ueberbetonung der rationalen Fächer, der
rationalen Denkweise, der rationellen Lebensgestaltung, der
zweck- und leistungsorientierten Schule. Durch sie werden
Gemütswerte betont. Das Defizit an emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten
wird ausgeglichen. Die visuelle Reizüberflutung, wie
sie durch verschiedene Medien und Zivilisationserscheinungen
verursacht wird, erhält zudem durch die Musikerziehung
das dringend benötigte akustische Gegengewicht
Musikerziehung
entwickelt in hohem Masse intellektuelle Fähigkeiten
Wer musiziert, wer intensiv übt, wer ein Notenbild entziffert
oder selber Musik zu Papier bringt, lernt denken, abstrahieren,
kombinieren, sich konzentrieren. Das Memorieren und das auswendige
Vorspielen von Musikstücken ist zudem eine ausgezeichnete
Gedächtnisschulung.
Musikerziehung erhöht
die Lernfähigkeit
Die moderne Lernpsychologie lehrt,
dass akustische Reize eine längerdauernde Gedächtnisspur
hinterlassen als visuelle. Die Schulung des Gehörs und
des akustischen Unterscheidungsvermögens erhöht
darum die Lernfähigkeit. Das haben auch viele Tests in
Ungarn, in Deutschland, in Amerika und in neuerer Zeit auch
in der Schweiz bewiesen. Musikklassen mit erweitertem Musikunterricht
auf Kosten der sogenannten rationalen Hauptfächer zeigten
in diesen Hauptfächern nicht schlechtere, sondern eher
bessere Resultate. Nur schade, dass die Schulverantwortlichen
daraus bezüglich Gestaltung der Schule und der Stundentafel
nicht vermehrt die Konsequenzen ziehen!
Musizieren ist gesund!
Musizieren ist nicht nur eine seelische Therapie, sondern
auch gesund für den Körper. Wer singt, bläst,
auf irgend einem Instrument richtig phrasiert, der atmet besser,
der lebt gesünder.
Musikerziehung fördert
die Handfertigkeit
Es ist eine Erscheinung der heutigen Zeit, und sie ist vor
allem bei Jugendlichen in städtischen Agglomerationen
zu beobachten, dass die natürliche Beschäftigung
mit Sand, Stein und Holz nicht mehr möglich ist und dass
dadurch die Fingerfertigkeit verkümmert. Anstelle dieser
elementaren Materialien treten fertige Spielzeuge oder auch
Apparate, die mit einem einfachen Tastendruck Scheinwelten
öffnen. Mit den meisten Musikinstrumenten wie Flöten,
Streich- und Holzblas-Instrumenten, Klavier, Akkordeon u.a.
lässt sich dieser Mangel beheben.
Musikerziehung zur Gewinnung
neuer Freiräume
Alte Freiräume sind der Jugend verloren gegangen: Auf
den Strassen herrscht der Moloch Verkehr, Plätze sind
zu Parkplätzen geworden, Bäche wurden verbaut und
sogar überdeckt, Wälder stecken voller Verbotstafeln.
Durch das Musizieren aber können neue virtuelle Freiräume
gewonnen werden.
Musik
- Mittel zur Freizeitgestaltung
Wer musiziert, leidenschaftlich übt
oder gar in einem Ensemble mitspielt, hat kein Freizeitproblem,
sondern eher ein Zeitproblem. Musikerziehung ist darum heute
zu einem Politikum und vielerorts zu einem Schwerpunkt der
Jugendpolitik und nicht zuletzt der Drogenprophylaxe geworden.
Musikerziehung
erhöht die Kulturfähigkeit des jungen Menschen
Wenn Musiklehrpersonen ihre Verantwortung wahrnehmen, so erfährt
der Musikschüler im Musikunterricht eine eigentliche
Geschmacksbildung. Es ist ein Phänomen der heutigen Zeit,
dass man immer und überall der Beschallung mit mehr oder
weniger erwünschter Musik ausgesetzt ist. Gewollt oder
ungewollt wird stundenlang Musik gehört. Verantwortungsvolle
Musikerziehung hilft ganz entscheidend mit, dass Jugendliche
diese Musik-Flut nicht kritiklos über sich ergehen lassen.
Sie erhalten gleichsam einen Filter, der ihnen hilft, gute
von schlechter Musik zu unterscheiden.
Musik
als Bildungsgut, Bildungsrecht und Bildungspflicht
Unsere europäische Musik ist ein Kultur- und Bildungsgut,
das weit über tausend Jahre alt ist. Wenn unsere Jugend
das Recht hat, dieses Kulturgut kennen zu lernen, so leitet
sich daraus für den Staat auch eine Bildungspflicht ab.
Der deutsche Philosoph und Musikpädagoge Heinz Antholz
formuliert dieses Postulat wie folgt: «Musikalische
Bildung als Ausbildung personaler Existenz und als sinnvoll
disponiertes Kulturverhalten ist ein demokratisches Bürgerrecht.»
Und noch einfacher formulierte es vor 200 Jahren Napoleon
I.: «Die Musik hat von allen Künsten den grössten
Einfluss auf das Gemüt, der Gesetzgeber sollte sie deshalb
am meisten unterstützen.»
Und wer behauptet, dass ja Musik nur
eine marginale Bedeutung habe und für die menschliche
Existenz und den beruflichen Erfolg unwesentlich sei, dem
sei das Wort Heinrich Pestalozzis entgegengehalten: «Wir
haben kein Recht, das Kind von der Entwicklung einer einzigen
Fähigkeit, auch nicht derjenigen, die wir augenblicklich
nicht als sehr wesentlich für seinen Beruf betrachten,
auszuschliessen.»
Alle diese Punkte lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
Menschen, die musizieren, kommen zum
Atmen, zum Klingen, sie erreichen eine innere Ordnung und
gelangen zu neuer Kreativität. Das intensive Musizieren
verlangsamt die materialistische Geschäftigkeit und die
umweltzerstörende Hektik. Es entstehen gleichsam Wohnstrassen
des Lebens, die das mörderische Tempo der Selbstzerstörung
drosseln. Und beim gemeinsamen Musizieren, wie es in den Ensembles
gepflegt wird, stellt sich wieder jenes Gemeinschaftserlebnis
ein, das durch den Egoismus und den beängstigenden Rückzug
auf das Privatleben so sehr gefährdet ist.
Page créée le 09.10.01
Dernière mise à jour le 09.10.01
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