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  Interview mit Adi Blum (von Francesco Biamonte)

 

Culturactif.ch: Adi Blum, den Kulturminister, der entgegen seinem Namen nicht vom Bund eingesetzt ist, gibt es nun bereits seit einiger Zeit. Dennoch ist er in der Romandie kaum bekannt. Könnten Sie uns das Projekt beschreiben? Wie ist es zu dieser Idee gekommen und wie wurde sie umgesetzt? Und wie steht es heute mit dem Kulturministerium?

Adi Blum: Das Kulturministerium definiert sich kurz und bündig als "das Sprachrohr aller, die sich für eine lebhafte, farbige, aktuelle Kultur in der Schweiz engagieren" (voir http://www.ministeredelaculture.ch). Kultur ist in der vielsprachigen Schweiz ein wichtiges Element des Zusammenhalts. Oft macht es allerdings den Anschein, dass die Kultur nicht als eine zentrale Aufgabe des Staates ebenso wie aller Bürger betrachtet wird, sondern eher als "nice to have". Kultur verschönert die Freizeit und vertreibt die Langeweile. Die kritische Auseinandersetzung mit und über Kultur ist aber eine wichtige Aufgabe, nicht zuletzt um die kulturelle Vielfalt in der Schweiz zu stärken.

Art. 21 der Bundesverfassung besagt: «Die Freiheit der Kunst ist gewährleistet». Dieser Satz ist uns - vier Kulturschaffenden aus Luzern und Zürich - sauer aufgestossen, als sich die Politik im Dezember 2004 in die Kultur einmischte. Anlass dazu war die Ausstellung "Swiss-Swiss-Democrazy" des Künstlers Thomas Hirschhorn, die im Centre Culturel Suisse in Paris gezeigt wurde. Obwohl (oder weil?) kaum ein anderes Kunstwerk der letzten Jahre sich derart für den demokratischen Diskurs stark machte wie dieses, fühlten sich einige besonders helle Parlamentarier dazu aufgerufen, diese Auseinandersetzung zu bestrafen, indem wenig später der Kredit für die Pro Helvetia gekürzt wurde. Vom Bundesamt für Kultur war wenig Widerstand zu vernehmen. Die Freiheit der Kunst ist manchmal gewährleistet? Diskussionen im kleinen Kreis regten uns dazu an, aktiv zu werden und ein virtuelles Kulturministerium zu gründen. Dafür nutzten wir eine Eigenheit des Internets: Sobald ein Eigenname die Endung ".ch" erhält, wird damit suggeriert, dass es diesen Eigennamen (als Institution beispielsweise) wirklich gibt. So gründeten wir ein wirkliches Ministerium, indem wir 2005 eine Webseite bauten.

www.kulturministerium.ch / www.ministeredelaculture.ch ist demnach ein reell-virtuelles Kulturministerium, das als Plattform für kulturpolitische Auseinandersetzung und Reflexion dient. Demokratie sollte dabei nicht nur eine Floskel sein, sondern gleich real erprobt werden. Das Ziel des Kulturministeriums bestand von Anfang an darin, dass alle zwei Jahre ein Kulturminister oder eine Kulturministerin von der Öffentlichkeit in freier Internet-Wahl erkoren wird. Kandidieren dürfen dafür alle kulturell engagierten Personen, die in der Schweiz wohnen oder ein Halbtax-Abonnement der SBB vorweisen können. Der erste Schweizer Kulturminister, Heinrich Gartentor, wurde im September 2005 im Rahmen des Forum des Artistes in Biel, einem spartenübergreifenden Treffen der Schweizer Kunst, ins Amt eingeführt. Und Biel wurde so zur heimlichen Kulturzentrale.

Welche sind die aktuellen Prioritäten, welche die konkreten Pläne des Ministeriums? Welche Dossiers beurteilt es als brisant, gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die Kammern über die Buchpreisbindung, über das neue Kulturförderungsgesetzt debattieren, und wo das Bundesamt für Kultur das neue Sprachgesetz vorbereitet?

Die Prioritäten des Kulturministeriums werden natürlich geprägt durch die Person des Kulturministers, respektive durch dessen Anliegen und Interessen. In erster Linie aber sind es die aktuellen politischen Diskussionen und Fragen, die vom Kulturministerium aufgegriffen werden. Dies kann in unterschiedlicher Weise geschehen: durch die Teilnahme an Vernehmlassungen des Bundes, durch die Untersützung von laufenden Initiativen oder durch die Lancierung von neuen Fragestellungen.
Zentral ist dabei, dass sich das Kulturministerium nie gegen andere kulturelle Institutionen wendet, sondern deren Aktivitäten und Engagement bestärkt, wo dies möglich ist. Die Zusammenarbeit mit den Verbänden ist eng. Weil die Buchpreisbindung durch die Branchenverbände bestens verteidigt wurde, hat das Kulturministerium in dieser Frage keine besonderen Aktivitäten entwickelt. Dafür entstand eine enge Partnerschaft mit Suisseculture im Rahmen der Diskussionen um das Kulturfördergesetz. Früher dreimal, ab 2009 zweimal jährlich, laden Suisseculture und das Kulturministerium alle Parlamentarier zu einer kulturellen Session ins Schlachthaus Bern ein - mit dem Ziel, Vorurteile abzubauen und für die eigenen Anliegen zu sensibilisieren.
Besonders der Dialog mit der Politik liegt dem Kulturministerium am herzen, kann es diesen doch frei von Eigeninteressen fördern. Dem offenen Gespräch folgt oft ein vertieftes Verständnis für die Sache.
Ein anderes Instrument des Kulturministeriums sind die Einladungen nach Romainmotier ins L'Arc von Migros Kulturprozent. Der Kulturminister lädt ein ... zu Themen der sozialen Sicherheit oder der Theaterdiffusion. Intensive Diskussionen im kleinen Rahmen haben oft überraschende Effekte. So wurde auf Anregung von Suisseculture in Romanmotier ein Modell für die soziale Sicherheit von Kunstschaffenden entwickelt.

Welchen Platz genau nimmt die Literatur in den Aktivitäten des Ministeriums ein?

Die Literatur ist ein Teil der Kultur, die momentan etwas mehr Unterstützung geniesst, weil der amtierende Minister Dominik Riedo Autor und Mitglied beim Verband Autrices et Auteurs Suisse (AdS) ist. Der Wettbewerb "Der beste Leserbrief" ist Ausdruck davon - auch hier an den demokratischen Diskurs gebunden. In diesen Tagen erscheint zudem ein Buch zur kulturellen Situation in der Schweiz, das der Kulturminister Dominik Riedo herausgibt. Grundsätzlich aber bleibt das Kulturministerium allen künstlerischen Formen und allen kulturell Schaffenden verpflichtet.

Wie ich bereits erwähnte, ist das Kulturministerium in der Romandie kaum bekannt. Gehört es zu ihren Prioritäten, ganz abgesehen von eventuellen technischen Schwierigkeiten, das Publikum aus der Romandie und aus der Italienischen Schweiz einzubeziehen und warum?

Das Kulturministerium ist eine kleine Erfolgsgeschichte - mit viel Resonanz und Lob. In der Überbrückung des Röschtigrabens aber - das sei unumwunden eingestanden - ist das Kulturministerium bisher an seine Grenzen gekommen. Es erweist sich als schwierig, ein in der Deutschschweiz gegründetes Projekt in der Romandie und im Tessin zu etablieren. Die Gründe dafür sind vielfältig und noch nicht alle bekannt. Es hat mit der Sprache zu tun - doch nicht nur.
Es ist nicht zu übersehen, dass es einen kulturellen Sprachgraben gibt - Romandie, Tessin und Deutschschweiz lehnen sich Rücken an Rücken und schauen in unterschiedliche Himmelsrichtungen. Die Schweiz ist trotzdem eine Einheit mit vier Sprachen - das merken die Zürcher in Berlin, die Genevois in Paris und die Luganesi in Mailand.
Wir arbeiten daran und wollen es abermals versuchen. Der amtierende Kulturminister hat versucht, seine Wohngemeinde Romoos mit der ähnliche lautenden Freiburger Gemeinde Romont bekannt zu machen - und umgekehrt. Am Ende hat dies geklappt - ein kleiner Erfolg!

Das Kulturministerium hat baldige Wahlen angekündigt. Wie werden diese ablaufen und was steht auf dem Spiel?

Die Neuwahl 2009 erfolgt in drei Etappen. Soeben abgeschlossen wurde die Phase 1: die Bewerbung der Kandidaten. Bis Mitte Juni wird nun ein Kulturexpertenrat eine Anzahl von 3-6 Kandidaten und KandidatInnen nominieren, die sich dann bis zum 20. September im Internet und bei öffentlichen Hearings zur Wahl stellen. Je mehr an dieser Wahl teilnehmen, umso stärker darf sich der gewählte Minister oder die gewählte Ministerin
als Repräsentantin der Schweizer Kultur fühlen. Deshalb sind alle kulturell Interessierten aufgerufen, auf der Seite http://election09.ministeredelaculture.ch/ ihre Stimme abzugeben.

Fragen übersetzt von Jacqueline Aerne

 

Page créée le 12.06.09
Dernière mise à jour le 12.06.09

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