Das Gewicht eines gewendeten Blattes
JACQUELINE AERNE, ORLANDO BUDELACCI, THIERRY GREUB (HERAUSGEBER UND ÜBERSETZER), Das Gewicht eines gewendeten Blattes - Il peso di un foglio girato Gegenwartslyrik im Grenzraum Schweiz Italien von Stefano Raimondi, Fabio Pusterla, Antonio Rossi, Massimo Daviddi, Alida Airaghi, Pietro De Marchi, Pierre Lepori, Dubravko Pusek, Zürich, Limmat Verlag, 2004.
Das Gewicht eines gewendeten Blattes
In einer repräsentativen Auswahl von acht der wichtigsten,nach 1950 geborenen DichterInnen des Grenzraumes Schweiz Italien wird zum ersten Mal das überaus fruchtbare und interessante Schaffen dieser Generation mit über 100 Gedichten in einer zweisprachigen Ausgabe vorgestellt.
Das Überschreiten von Grenzen wird zur wichtigen Grösse dieser lebendigen Kultur: Pietro De Marchi ist Mailänder, lebt seit 1984 in Zürich und publiziert im Tessin. Fabio Pusterla lebt in Italien und arbeitet in der Schweiz. Stefano Raimondi wohnt in Mailand und hat einen Gedichtband im Tessin publiziert. Antonio Rossi ist Tessiner, studierte in Florenz, arbeitet in Mendrisio und publiziert in Mailand und im Tessin. Massimo Daviddi "pendelt" zwischen Mailand und Mendrisio. Alida Airaghi, geboren in Verona, lebte von 1978 bis 1992 in Zürich, heute in Garda. Dubravko Pusek stammt aus Zagreb und wohnt seit 1966 im Tessin. Pierre Lepori ist ein in Lausanne lebender Tessiner.
En bref et en français
Jacqueline Aerne, Thierry Greub et Orlando Budelacci ont réuni dans cette anthologie huit poètes nés après 1950, et relevant de "l'espace frontalier Suisse - Italie" : Tessinois ou Lombards, vivant de part et d'autres des frontières politiques, ainsi que des frontières linguistiques de la Suisse, ils vivent souvent leur poésie en rapport avec une sorte d'incertitude quant à leur ancrage identitaire. C'est donc un rapport à la frontière et à la langue italienne qui a servi de critère, plutôt que l'appartenance à un espace national ou linguistique. Les éditeurs ont traduit collectivement les poèmes choisis, et proposent en édition bilingue un regard sur une génération d'auteurs encore méconnus au nord des Alpes.
C@S (D'après l'entretien et l'article ci-dessous)
Six questions aux traducteurs (Jacqueline Aerne, Thierry Greub, Orlando Budelacci)
Wie entstand das Projekt zu dieser Anthologie? Welches waren die Schwierigkeiten während der Arbeit an der Auswahl, der Zusammenstellung und der Übersetzung?
Nach einer kleineren Fingerübung an zwei Gedichten von Eugenio Montale entstand die Idee, zeitgenössische Lyrik aus der Italienischen Schweiz zu übersetzen, da diese Autoren, mangels Übersetzungen, nördlich der Alpen kaum bekannt sind. Jacqueline Aerne schreibt ihre Dissertation über Fabio Pusterla, was uns den Impuls und die fachliche Einbettung gab.
Die Anthologie umfasst Dichter, die nach 1950 geboren sind; welches sind die verbindenden Eigenschaften dieser acht dichterischen Stimmen? Kann man von einer Erneuerung der Dichtung der Italienischen Schweiz sprechen oder liegt ihr eine tieferliegende Kontinuität zugrunde?
Es sind sicher beide Phänomene ablesbar. Ein Bezug zur literarischen Tradition Italiens ist eindeutig vorhanden, dennoch gibt es Themen, die im Grenzraum stärker gewichtet werden als vielleicht anderswo in Italien. Ein verbindendes Element kann sicher in der geographischen Grenzlage der DichterInnen gesehen werden: an den verschiedenen Biographien der Autoren wird sichtbar, dass niemand von ihnen einen "sicheren Ort" besitzt, denn sie wohnen und arbeiten einmal auf dieser Seite der Grenze, einmal auf der anderen, publizieren mal in der Schweiz, mal in Italien. Das Tessin ist ein Schwellenraum, der keine Selbstverständlichkeit in sich selbst besitzt: Standortbestimmungen gehören demnach zum Alltag. Aus diesem Grund wird die Landschaft höchst selten als Ganzes, als Einheit wahrgenommen, sondern immer von Neuem in Frage gestellt. Die Identität des Italienischen Schweiz ist sehr schwer definierbar, sie setzt sich aus vielen verschiedenen Kreuzungen und Übergänge zusammen. Ihre Identität liegt in der Kraft der Begegnungen und der Berührungen. Diese spezifische Situation ist wird in den Gedichten oft thematisiert, bestimmt häufiger als in anderen Regionen Italiens.
Die Anthologie thematisiert auf verschiedenen Ebenen das Thema der "Grenze" und enthält nicht nur Tessiner'-Autoren, sondern auch Dichter aus Norditalien. Weshalb?
Heute löst sich allgemein der Begriff der "Nationalen Literatur" auf, es wird sogar immer anachronistischer Literaturen überhaupt nach territorialen Kriterien einzuteilen. In dieser Entwicklung scheint die Italienische Schweiz als Grenzregion eine paradigmatische Rolle zu spielen. Deshalb haben wir uns entschieden, uns von einem geographischen Begriff der Literatur zu lösen und auch Autoren zu berücksichtigen, die in Norditalien leben aber dennoch ein enger Bezug zum Tessin besitzen.
Der Begriff der "Grenze" ist sowohl im Untertitel der Anthologie als auch im Vorwort anzutreffen. Wie zeigt sich das Thema der "Grenze" in der aktuellen Dichtung der Italienischen Schweiz und von Norditalien?
Sie zeigt sich von den Biographien der DichterInnen bis zum von ihnen selbst oftmals erwähnten Gefühl der "Nichtzugehörigkeit" zu einem klar umgrenzten Kulturraum. Dieses Gefühl der "Nichtzugehörigkeit" wird oft als wichtigen Impuls für das Schreiben beschrieben. Dichter sind ja eigentlich immer Grenzgänger, doch in der Italienischen Schweiz lässt sich dies auf einer weiteren Ebene lesen. Die Präsenz der politischen Grenze sowie die täglichen Grenzübergänge stärken das Bewusstsein von Raum, erlauben damit Berührungen, die in der "Mitte" nicht möglich sind. In den Texten drückt sich dies als besondere Aufmerksamkeit dem eigenen Raum und als intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Landschaft aus. In diesem Sinne prägt, glaube ich, die Landschaft das Schreiben dieser Autoren: an den Rändern ist keine selbstgefällige Sicherheit, keine Geborgenheit. Die Konfrontation mit Anderem, im Extremfall die Auseinandersetzung mit einem Gefühl der Entwurzelung, bilden den Nährboden für eine sehr fruchtbare literarische Landschaft, wie die Italienischen Schweiz seit einigen Jahrzehnten nun bietet. Gerne möchte ich noch ein sehr schöner Gedanke von Michel de Certeau - der im Vorwort ausführlich zitiert wird - umschreiben: der Grenze liegt ein grundsätzliches Paradox inne, da sie zwar trennend wirkt aber erst durch Kontakte, durch Berührungen geschaffen wird. Verbindendes und Trennendes sind an der Grenze eins.
Wie ist die Übersetzung der drei Herausgeber zustande gekommen? Wie verlief die Zusammenarbeit? Welches sind die Vorteile, welches die Nachteile eines solchen Vorgehens?
Jeder Herausgeber hat in einer ersten Phase von zwei bis drei Autoren die Textauswahl getroffen und eine Rohübersetzung erstellt. Danach haben wir die Übersetzungen zu Dritt mehrmals bearbeitet. Nach langen Diskussionen sind die jetzigen Fassungen in einem demokratischen Gespräch entstanden. Dies bedingt eine starke Zurücknahme des Einzelnen zugunsten einer vielfältigeren Sichtweise, die der Einzelne nicht gehabt hätte.
Les poètes et leur poèmes
Stefano Raimondi |
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Vorrei che si spalancasse il giardino
che invadesse dappertutto
e che le strade fossero viottoli
e i palazzi chioschi
e l'indaffararsi fosse
una chiacchierata e la morte
la fine di un libro
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Ich wünschte mir, der Garten öffne sich weit
und breite sich überall aus
und die Strassen wären Wege
die Wohnblöcke Pavillons
die Geschäftigkeit
ein Plaudern und der Tod
das Ende eines Buches.
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e tutto rimanesse lì
tra una panchina e un'ombra
e una galleria di foglie
che crolla senza nessun rumore.
Ma si dice che in estate
si muoia anche qui. |
und alles bliebe dort
zwischen einer Bank und einem Schatten
und einem Bogen aus Blättern,
der geräuschlos fällt.
Man sagt jedoch, im Sommer
stirbt man auch hier. |
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Fabio Pusterla
Le parentesi |
Die Klammern |
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L'erosione
cancellerà le Alpi, prima scavando valli,
poi ripidi burroni, vuoti insanabili
che preludono al crollo, gorghi. Lo scricchiolio
sarà il segnale di fuga: questo il verdetto.
Rimarrano le pozze, i montaruzzi casuali,
le pause di riposo, i sassi rotolanti,
le caverne e le piane paludose.
Nel Mondo Nuovo rimarranno, cadute
principali e alberi sintattici, sperse
certezze e affermazioni,
le parentesi, gli incisi e le interezioni:
le palafitte del domani.
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Die Erosion
wird die Alpen ausradieren, zuerst wird sie Täler graben,
dann steile Schluchten, unheilbare Leeren,
die den Zusammenbruch ankündigen, Strudel. Ein Geknarre
wird das Zeichen zur Flucht sein: dies das Verdikt.
Bleiben werden Flussbecken, zufällige Trümmerhaufen,
Ruhepausen, rollende Steine,
Höhlen und Sumpfebenen.
In der Neuen Welt werden, nach dem Fall
von Hauptsätzen und Strukturbäumen, nach dem Verschwinden
von Gewissheiten und Behauptungen,
Klammern, Einschübe und Ausrufezeichen bleiben:
die Pfahlbauten von morgen. |
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Antonio Rossi |
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Usualmente o con foga
un parametro o abitacolo
vischioso incorpora
o asporta soggetti
riluttanti e cela
freghi e additivi
copiosi e dopo
trazioni o pericoli
estromette in tracciati
dislocati e insidiati
da particelle.
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Üblicherweise oder mit Kraft
verschlingt oder entfernt
ein Parameter oder eine harzige
Kabine widerstrebende
Subjekte und verbirgt
Einschnitte und reichhaltige
Zusätze und wird nach
Antrieben oder Gefahren
in von Teilchen
dislozierte und bedrohte
Strecken hinausgeworfen.
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Massimo Daviddi |
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Le donne lanciano lenzuola dalle camere
un'aria sa di corpi che l'invadano premure
collaudate sembrano dire al solitario che
qui si compie quello che tutti sanno e vivono
l'amore che notturno incontra pelli delicate
i sogni che restano ingannati dal risveglio
gli odori che ristagnano sui polmoni delle
maglie un più marcato segno della pulizia
l'ordine che più lontano respinge la follia
restando provvisorio.
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Die Frauen werfen Wäsche aus den Zimmern
Luft riecht nach Körpern die in sie einströmen
eingeübte Aufmerksamkeiten scheinen dem
Einsamen zu sagen dass sich hier das ereignet
was alle wissen und leben Liebe begegnet
nächtlich zarter Haut Träume werden vom
Aufwachen getäuscht Gerüche stauen sich
auf den Lungen der Geflechte ein deutlicheres
Zeichen der Sauberkeit die Ordnung drängt
den Wahnsinn zurück und bleibt provisorisch. |
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Alida Airaghi |
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Il verde snebbia in grigio
sotto il peso leggero dei fumi
e le case hanno un colore timoroso
uguale, chi piú chi meno
marroncino che si perde
nell'ocra di un quadro visto
da lontano o confuso
paesaggio dal treno con la fronte
appoggiata al finestrino
bagnato, umida corte
di Bullinger autunnale.
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Wie Nebel fliesst das Grün in Grau
unter dem leichten Gewicht des Rauches,
und die Häuser haben eine ähnlich ängstliche
Farbe, mehr oder weniger
Braun, das sich im Ocker
wie in einem aus der Ferne
betrachteten Bild verliert
oder wie wenn man mit an ein nasses Zugfenster
gelehnter Stirn eine verschwommene
Landschaft sieht - feuchter
herbstlicher Bullingerhof. |
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Pietro De Marchi
Frontespizio
Livros são papéis pintados com tinta.
F. PESSOA
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Frontispiz
Livros são papéis pintados com tinta.
F. PESSOA |
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Ma chi lo dice
Che la carta è felice
Quando annusa nell'aria questo odore
Di inchiostro? Sarà vero
Che la titilla il solletico
Delle mie dita?
Chi ci assicura che non ha paura
Di una matita ben appuntita?
Chi lo sa cosa prova
Quando una penna la sfiora,
Magari si dispera
Nel vedersi allo specchio
Gli scarabocchi, gli sgorbi, le macchie.
Non ha poi grandi pretese,
La carta, come tutti
Vuole arrivare alla fine del mese.
Forse il suo sogno sarebbe di vivere
In santa pace cosí come è nata,
Bianca immacolata,
Per poi sparire
Non appena incomincia ad ingiallire.
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Wer sagt denn ausdrücklich,
Das Papier sei glücklich,
Wenn ein Duft von Tinte
In der Luft liegt? Stimmt es,
Dass das Kitzeln meiner Finger
Es reizt?
Wer versichert uns, dass es sich
vor einem spitzten Bleistift nicht fürchtet?
Wer weiss, was es spürt,
Wenn eine Feder es berührt?
Vielleicht verzweifelt es
Beim Blick in den Spiegel:
Gekritzel, Kleckse, Flecken.
Es möchte nichts Neues entdecken,
Wie alle möchte
Das Papier das Ende des Monats erreichen.
Vielleicht träumt es davon, in aller Ruhe
Zu leben, so wie es geschöpft wurde,
Weiss und unbefleckt,
Und sich wegzuschleichen,
Kaum beginnt es zu erbleichen. |
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Pierre Lepori
Dal Purgatorio |
Aus dem Purgatorium |
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II.
Un albero solo
in fondo all'orizzonte,
un impiccato sotto
la gittata delle nubi,
come un piolo che taglia il cielo.
Ma la sterpaglia, questa spugna,
davanti, da attraversare.
Erba scura, una terra
di crepacci, di biada
e il piede ovunque inciampa
nell'infestata pianura, nel dolore. |
II.
Ein einsamer Baum
auf der Horizontlinie,
wie ein Gehängter unter
dem Vorbeiziehen der Wolken,
ein Pfahl, der den Himmel schneidet.
Doch davor das Gestrüpp, dieses Dickicht,
das man durchqueren muss.
Dunkles Gras, ein Boden
mit Rissen, mit Schlamm,
und überall stolpert der Fuss
in der verseuchten Ebene, im Schmerz. |
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Dubravko Pusek |
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Kruno dorme. Lui sogna
il verde attardarsi sulle colline
e il giallo digradare
tra le rare chiazze di lillà.
Kruno dorme, il serpillo per la tosse
Lui sogna il serpente a sonagli
e la rana del Madagascar.
Dorme e sogna le tigri del Bengala.
Lui sogna vivere la vita,
vita del dente di leone,
dell'assenzio, del senecione.
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Kruno schläft. Er träumt
wie das Grün auf den Hügeln verweilt
und wie das Gelb sich zwischen
lichten Lilaflecken abschwächt.
Kruno schläft, Drachenwurz gegen Husten...
Er träumt von der Klapperschlange
und vom Salamander aus Madagaskar.
Er schläft und träumt von bengalischen Tigern.
Er träumt, das Leben zu leben,
das Leben des Löwenzahns.
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Dans la presse
Eine brillant übersetzte Anthologie konfrontiert erstmals umfassend mit der Tessiner Lyrik der Jahrgänge
ab 1950
(...) Die acht Autoren, die Orlando Budelacci, Jacqueline Aerne und Thierry Greub auf akribisch exakte und dennoch liebevoll einfühlsame Weise in anonymer Zusammenarbeit übersetzt haben, belegen die zugrunde gelegte poetologische These mit ihren parallel auf Deutsch und Italienisch präsentierten Gedichten auf wundervoll adäquate Weise, und zwar ohne dass man auch nur einen Augenblick auf den Gedanken käme, die Auswahl sei bewusst als Illustration dazu getroffen worden. Der Titel der Anthologie ist dem Gedicht "Una lettura d'anni"/"Ein Lesen der Jahre" von Stefano Raimondi (*1964) entnommen und stellt sie sachte in den Rahmen der Tradition hinein. "La notte aveva per me / il peso di un foglio girato" evoziert nämlich die Erinnerung des Dichters an seinen Vater, der ununterbrochen las - "leggeva di continuo" - und sich dem Kind mit der elementaren Geste des Umblätterns unvergesslich einprägte. Nicht die Landschaft vor der Tür, sondern das Blatt auf dem Tisch steht auch in "Frontispizio" von Pietro de Marchi (*1956) im Zentrum der Beobachtung und verführt den Schreibenden zum Zwiegespräch mit dem stummen, wehrlosen Partner seines Tuns: "Wer sagt denn ausdrücklich, / Das Papier sei glücklich, / Wenn ein Duft von Tinte / in der Luft liegt? Stimmt es / Dass das Kitzeln meiner Finger / Es reizt? / Wer versichert uns, dass es sich / Vor einem spitzen Bleistift nicht fürchtet?"
[...]
Charles Linsmayer
Bund
http://www.ebund.ch/
27.10.2004
Der Blick geht nach Osten, seitdem Europa nicht mehr geteilt ist. Literatur aus Russland, dem Baltikum, vom Balkan, aus Ungarn erscheint in Fülle, ganze polnische und tschechische Bibliotheken werden ediert, gerade entdeckt der Buchhandel die Ukraine. Doch auch andernorts in Europa lösen sich Grenzen weiter auf, gibt es Überraschungen. Der Zürcher Limmat Verlag macht seit vielen Jahren schöne Bücher, ein herausragend intelligentes Programm, wir haben schon des Öfteren sein Lob gefiedelt. Jetzt ist hier eine Anthologie erschienen, die eine etwas mühselige Bezeichnung trägt: Gegenwartslyrik im Grenzraum Schweiz Italien; der Titel ist umso schwereloser: Das Gewicht eines gewendeten Blattes / Il peso di un foglio girato. Acht Autoren werden vorgestellt - allesamt nach 1950 geboren -, die in der südlichen Schweiz oder im nördlichen Italien leben (oder mal in Italien und mal in der Schweiz leben oder gelebt haben) und ihre Gedichte auf Italienisch schreiben. Ihre Wege kreuzen sich allesamt im Tessin, insofern könnte man auch von Tessiner Literatur sprechen. Das allerdings mag provinziellen Beiklang haben - was völlig abwegig wäre: denn wenn diese Lyrik etwas nicht ist, dann provinziell.
[...]
Benedikt Erenz
Die Zeit
http://www.zeit.de/
16.12.2004
[
] Il riattizzarsi negli ultimi tempi del dibattito e della polemica sulla questione del plurilinguismo in Svizzera non è bastato ad attirare l'attenzione dei più (come invece ha fatto la stampa tedesca d'oltralpe) su un volume uscito negli ultimi mesi dell'anno scorso all'insegna del bilinguismo italiano/tedesco, al quale andrà anzitutto riconosciuto il merito di contribuire a fare conoscere una tranche della nostra letteratura ai lettori svizzeri di aerea germanofona. Parliamo dell'antologia Das Gewicht eines gewendeten Blattes / Il peso di un foglio girato , a cura di Jacqueline Aerne, Orlando Budelacci e Thierry Greub [
] È stato quindi anzitutto un "confine" anagrafico a dettare la selezione di questi scrittori (con qualche esclusione discutibile, come del resto accade per tutte le antologie). Ma non solo: i curatori, nel selezionare i loro autori, piuttosto che al criterio della "ticinesità" si sono affidati, per così dire, a quello della "frontierità": lo scrittore svizzero-italiano è anzitutto scrittore di frontiera, che condivide la sua sorte con gli scrittori finitimi, poco importa da che parte del confine si trovino ad agire e a operare o quale passaporto abbiano in tasca. Nella sua stimolante e circostanziata introduzione la Aerne, dopo una ricostruzione per sommi capi della storia della nostra poesia da Francesco Chiesa a Giorgio Orelli, affrontando la cosiddetta "terza fase", quella attuale, rilancia e circoscrive alcuni risultati già usciti da un suggestivo e animato convegno, Varcar frontiere ("La frontiera da realtà a metafora nella poesia di area lombarda del secondo Novecento" , a cura di Jean-Jacques Marchand, Carocci, Roma, 2001), nel corso del quale attorno al concetto di frontiera (e di confine e di limite) erano stati fatti convergere una moltitudine di significati: fisico-geografici, politici, culturali, temporali-generazionali, ambientali (città vs campagna; ruralità vs modernità), ideologici, psicoanalitici, linguistici, stilistici ecc. Già in quell'occasione era apparso come negli scrittori di frontiera - nel nostro caso quelli a cavallo fra Svizzera e Italia (e viceversa) - il confine reale tendesse forse più naturalmente che in altri a farsi metafora di una dualità connaturata alla natura umana e consustanziale all'atto creativo, perché se da una parte ogni frontiera pone di fronte a dei limiti oggettivi, dall'altra funge da stimolo verso un oltre e un altrove, verso l'ignoto e l'indeterminato, che è compito del poeta illuminare e determinare grazie alla forza dei suoi strumenti espressivi.[
]
Ilario Domenighetti
Giornale del Popolo
http://www.gdp.ch/
5 marzo 2005
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