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Franz Dodel
Nicht bei Trost. Haiku endlos. Edition Korrespondenzen, Wien 2008. 608 Seiten.

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  Franz Dodel / Nicht bei Trost

 

Franz Dodel / Nicht bei Trost

 

Der Berner Schriftsteller und Theologe Franz Dodel dichtet an einem endlosen Haiku-Gedicht. Seit 2002 erweitert er es – gewissermassen als tägliche Exerzitien – Zeile um Zeile. Vor fünf Jahren ist eine erste Ausgabe in 3 Bänden und in einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen (Edition Haus am Gern). Seit jüngst liegen nun weitere 6000 Verse in einem schönen schwarzen Buch auf Dünndruck-Papier vor. Dodels „never-ending-Haiku“ ist so etwas wie ein poetisches Brevier, das nicht für eine Endlos-Lektüre geschrieben ist. Vielmehr entsteht unter der Hand des Dichters ein leichtfüssiger Strom der Gedanken über Gott, die Welt und das Ich, der sich zwischendurch zu Gemüte führen lässt. „Nicht bei Trost“ ist eine literarische Trouvaille, die sich der literarischen Betriebsamkeit entzieht und so vielleicht erst recht ihre poetische Gelassenheit bewahrt. Alle 500 Verse erweist Franz Dodel darin Marcel Proust die Referenz.

Die Entwicklung des Haikus lässt sich online nachlesen auf Franz Dodels Webseite: http://www.franzdodel.ch. Zurzeit steht sein Haiku-Gedicht bei Vers 14440.

Franz Dodel: Nicht bei Trost. Haiku endlos. Edition Korrespondenzen, Wien 2008. 608 Seiten.

 

  Das Schreiben als Trost (Beat Mazenauer)

In breve in italiano - En bref et en français

Nach landläufigem Verständnis ist ein Haiku eine dreizeilige lyrische Miniature mit dem Silbenmuster 5-7-5. Traditionell beschreibt es bildhaft einen Gegenstand aus der Natur. Wenn Franz Dodel nun mit einem philosophischen Endlos-Haiku aufwartet, scheint er auf den ersten Blick einen Widerspruch zu erzeugen. Doch die Haiku-Form lässt trotz ihrer stilistischen Prägnanz Abweichungen zu, wie „Nicht bei Trost“ besonnen demonstriert. Franz Dodel, Jahrgang 1949, studierter Theologe, heute als bibliothekarischer Fachreferent an der Berner Uni-Bibliothek tätig, schreibt seit Jahren täglich an seinem Kettengedicht mit alternierenden 5- und 7-silbigen Zeilen. 2004 sind die ersten 6000 Verse erschienen, nun folgen die nächsten 6000 in einem schwarzen Buch im Brevier-Format auf Dünndruck-Papier.
„Nicht bei Trost“ verströmt die Gelassenheit eines Dichters, der die Wahrheit sucht, ohne sie finden zu müssen:
„ich stelle mir vor
wie es wäre das Denken
einzustellen um
ungehindert da zu sein
wenn man da ist (falls
man Dasein so noch bemerkt)“.
Dodels Dichtung ist kein vertracktes Bemühen um Einhaltung der Form, sondern hält sich – ganz im Sinne der Haiku-Tradition – an eine einfache und flüssige Diktion. Es gibt hier keine gewundenen poetischen Umstellungen in der Syntax. Der Strom der Worte fliesst in einem natürlichen Bett, die Lesenden brauchen lediglich die Interpunktionen selbst zu setzen. Diesem Strom entspricht inhaltlich die leichtfüssig mäandrierende Reflexion über Gott, die Welt und das Ich, die in übertragenem Sinn auch Barthes' Forderung für ein gutes Haiku einlöst: dass "Wort und Ding in eins fallen". Dodels Ding ist der suchende Gedanke, den er mit metaphorischer Schlichtheit hin und wieder auch ins Bild setzt.
Während sich jeweils auf den ungeraden Seiten das Haiku scheinbar wie von alleine fortschreibt, weist der Autor auf den Seiten gegenüber die ihn beeinflussenden Zitate und Anregungen nach – ab und an um kleine Bilder erweitert. Periodisch taucht darin Marcel Proust auf, dessen „Recherche à la temps perdu“ der Dichter alle 500 Verse seine Reverenz erweist.
Anknüpfend an die Tradition hat Franz Dodel eine eigenständige poetische Form gefunden, die sich wunderbar geschmeidig liest wie ein fortlaufendes Selbstgespräch über die Bedingungen des eigenen Denkens, Fühlens und Seins. Das poetische Ich läst sich ohne festes Ziel glücklich treiben:
„... ich mag die / Wünsche an denen
festzuhalten sich nicht lohnt
auch die die lange
unerfüllt bleiben ...“
Endlos heisst ohne ein Ende, über die abschliessenden Buchdeckel hinaus. Dafür kommt Dodel das Internet gerade recht. Periodisch lassen sich auf Franz Dodels Webseite die neuesten Fortschreibungen nachlesen. Zurzeit steht das Gedicht bei der Zeile 14440:
„ich beobachte
die Stille in meinem Mund
nach dem Abbeissen
und dem Kauen des letzten 
Stücks eines Apfels 
den ich im nassen Gras fand“

Franz Dodel: Nicht bei Trost. Haiku endlos. Edition Korrespondenzen, Wien 2008. 608 Seiten.

Webseite: http://www.franzdodel.ch

 

  En bref

In breve in italiano

Quello dello scrittore e teologo bernese Franz Dodel è un haiku senza fine: ci lavora dal 2002, verso dopo verso, in una sorta di esercizio quotidiano. Cinque anni fa, ne è apparsa una prima edizione in tre volumi (500 esemplari); oggi, vengono proposti altri 6'000 versi in un bel libro nero su carta pregiata. L'haiku di Dodel appare così come una sorta di breviario poetico, ma non è concepito per essere letto senza fine: è piuttosto una lieve corrente di pensieri su Dio, il mondo, l'io, che talvolta si lascia vincere dall'emozione. Nicht bei Trost è una vera scoperta letteraria: lontano da ambizioni particolari e da preoccupazioni formali, il poeta vi preserva una sorprendente tranquillità. Ogni 500 versi, poi, viene citato Marcel Proust, il riferimento di questo lavoro calmo e prolungato.

***

En bref et en français

L'auteur et théologien bernois Franz Dodel écrit un haïku sans fin. Depuis 2002, il l'étend, vers après vers – dans une sorte d'exercice quotidien. Il y a cinq ans paraissait une première édition en trois volumes, tirée à 500 exemplaires. 6000 vers de plus sont aujourd'hui édités dans un beau livre noir sur papier bible : le haïku sans fin de Dodel apparaît ainsi comme une sorte de bréviaire poétique ; il n'est pas conçu pour être lu sans fin ; c'est plutôt un courant léger de pensées sur Dieu, le monde, le moi, qui se laisse parfois gagner par l'émotion. Nicht bei Trost est une vraie découverte littéraire. Loin de tout affairement, de toute proccupation formelle, le poète y préserve une tranquillité poétique. Tous les 500 vers, Franz Dodel évoque en outre Marcel Proust, référence de ce travail calme et prolongé.

 

Page créée le: 24.02.09
Dernière mise à jour le: 24.02.09

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