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Daniel Schwartz
Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren. Eichborn Berlin 2008. 992 Seiten.

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  Daniel Schwartz / Schnee in Samarkand

 

Daniel Schwartz - Schnee in Samarkand

 

Zentralasien gleicht noch immer einer Terra Incognita. Städte wie Buchara oder Samarkand rufen exotische Gefühle hervor, die durch Begriffe wie Burka, Taliban und Korruption wieder zunichte gemacht werden. Auf den Spuren von Nicolas Bouvier, Ella Maillart und Annemarie Schwarzenbach hat sich auch der Zürcher Fotograf Daniel Schwartz in diese Region zwischen dem Kaspischen Meer und der westchinesischen Provinz Xinjiang aufgemacht, um sie durch Reisen und durch ausgedehnte Lektüren kennen zu lernen. Sein voluminöser, fast 1000-seitiger, eng bedruckter Band „Schnee in Samarkand“ stellt die geopolitisch bedeutsame Gegend in beinahe enzyklopädischer Fülle vor. Während die einführenden Essays mit ihrer Dichte und Sprunghaftigkeit leider nur schwer begreifbar sind, vermitteln vor allem die Tagebuchaufzeichnungen mit ihren Geschichten, Begegnungen und historischen Vertiefungen einen anschaulichen, schillernden Eindruck einer noch immer fremd anmutenden Welt. Schade nur, dass dabei vor allem auf illustrierende Karten verzichtet wurde.

Daniel Schwartz: Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren. Eichborn Berlin 2008. 992 Seiten.

 

  Auf den Spuren von Bouvier, Maillart und Schwarzenbach (Beat Mazenauer)


In breve in italiano - En bref et en français

Auf der Weltkarte erscheint Europa als mickriger Wurmfortsatz eines immensen asiatischen Bauches, der sich unendlich weit nach Sibirien und China erstreckt. So betrachtet gleicht unser Kontinent nicht dem Zentrum der Welt, vielmehr scheint sich eine tiefe Kluft zwischen kulturellem Anspruch und Geographie zu öffnen. Eine Kluft, die historisch immer wieder durch kriegerische Feldzüge überbrückt wurde. In östlicher Richtung eroberte Alexander der Grosse im 4. Jh. v.Chr. weite Territorien bis ans Tor zu China, und in umgekehrter Richtung sorgten die Reiterhorden von Dschingis Khan im 13. Jh. bis nach Europa für Angst und Schrecken. Länder wie Iran, Afghanistan, Pakistan oder Usbekistan sorgen bis heute für eine politische Unruhe, deren Echo weit über Zentralasien hinaus spürbar ist.
Weil hinter der zentralasiatischen Steppe und dem Pamir-Gebirge eine sagenhafte chniesische Kultur lockte, machten sich seit altersher europäische Reisende auf, um diese unbekannte Welt zu erkunden und zu vermessen. Namen wie Herodot, William von Rubrick oder Marco Polo stehen auf der Liste der abenteuerlichen Chronisten.
Auch die Schweiz hat in jüngerer Zeit dazu beigetragen, dass dieser geopolitische und kulturelle Raum ins Bewusstsein Europas gerückt wurde. Zu nennen sind allen voran Nicolas Bouvier, Ella Maillart oder Annemarie Schwarzenbach, die auch literarisch Zeugnis von ihren Reisen abgelegt haben. In diese Reihe fügt sich nun der Zürcher Reisefotograf und Mitarbeiter der Zeitschrift „du“ Daniel Schwartz ein. Sein Buch „Schnee in Samarkand“ ist eine fast schon enzyklopädische Recherche im Zentrum des asiatischen Kontinents.

Ein Europäer in Zentralasien

Nichts verdeutlich das eur-asiatische Missverständnis besser als die Expedition des Franziskaners Giovanni da Pian del Carpin, der 1245 in päpstlichem Auftrag seine Aufwartung beim mongolischen Grosskhan Guyuk, dem Neffen von Dschingis Khan, machte. Die päpstliche Bitte um Unterwerfung beantwortete dieser mit Unverständnis respektive mit der Einladung: „so kommst: Du, der grosse Papst, und die Könige alle persönlich, um uns zu huldigen.“
Daniel Schwartz hat die Gegend zwischen Kaspischem Meer und der westchinesischen Provinz Xinjiang in den letzten zwei Jahrzehnten auf zahlreichen Expeditionen bereist und in intensiven Lektüren historisch vertieft. Das vorliegende opulente Buch präsentiert seine vielfältigen Erfahrungen und Kenntnisse in Form von Tagebuchaufzeichnungen und vertiefenden Essays.
Auf seinen Reisen reiste Schwartz den Spuren von Alexander dem Grossen an den Indus, durchschritt auf der Seidenstrasse die „Dsungarische Pforte“, oder folgte einfach den aktuellen Konfliktherden im Dreieck Usbekistan, Kirgistan und Afghanistan.
Er erzählt von der ganz normalen Korruption, die zu einem Platz im Zug von Usbekistan nach China verhilft; er begibt sich mit einem Führer auf die Suche nach den „Sogdischen Felsen“, die Alexanders Elitesoldaten 327 v. Chr. in einer waghalsigen Aktion einnahmen; und in Kandahar trifft er 2001 den afghanischen Taliban-Führer Mahmud Shah, dem er in kurzen Zügen die Schweizer Geschichte erklärt und dabei selbst Parallelen zwischen den beiden Ländern entdeckt.
Seine Reisen protokollierte Schwartz in zeitlich und örtlich genau datierten Aufzeichnungen, die von endlosen Landschaften und von Menschen berichten, die ihm mal behilflich sind, ihn andermal übers Ohr hauen.Daraus entsteht ein anekdotisch reiches und differenziertes Panorama einer fernen Region, in dem diese in ihrer Wildheit und Fremdheit erleb- und erkennbar wird. Indem er seine persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit historischen Reminiszenzen und Zusammenhängen ergänzt, entsteht auch ein vertieftes Verständnis dieses geopolitischen Raumes, der bei uns meist nur für negative Schlagzeilen sorgt.

Ein Bilderbuch ohne Bilder

Nicht allein das Volumen aber macht „Schnee in Samarkand“ zur Herausforderung. Leider wurde darin weitgehend auf Bildillustrationen verzichtet – der Grund: ein dazugehöriger Bildband soll in diesem Jahr erscheinen. Damit aber fehlt auch jegliches Kartenmaterial. Insbesondere dessen Fehlen ist zu bedauern, denn ohne grobe geographische Situierung fällt eine Orientierung sehr schwer. Dies zeigt sich insbesondere in den essayistischen Teilen, in denen Schwartz vor allem zu Beginn einen Überblick über die Fülle an Völkern, Sprachen, Kulturen und Konflikten in aller Kürze zu vermitteln versucht. Dafür freilich findet er keine optimale Form, weshalb diese Kapitel in ihrer Dichte und Sprunghaftigkeit leider nur schwer les- und verstehbar sind.
Im Mix von Anekdoten und historischen Fakten (oder Mutmassungen) präsentiert dieses fast 1000-seitige, grossformatige und eng bedruckte Buch gesamthaft eine immense Fülle von Informationen, die thematisch lose in zwölf Kapiteln gebündelt sind. Ein Register am Schluss erlaubt es, das Buch als Lexikon zu benutzen, da es ohnehin nur schwer in einem Zug durchgelesen werden kann. So ist Daniel Schwartz trotz Abstrichen eine faszinierende, monströse literarische Reportage gelungen. Und zur Orientierung während der Lektüre sei – notgedrungen – auf die Webseite http://maps.google.com verwiesen.

Daniel Schwartz: Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren. Eichborn Berlin 2008. 992 Seiten.

Beat Mazenauer

 

  En bref

In breve in italiano

L'Asia centrale assomiglia ancora a una terra incognita. Città come Boukhara o Samarcanda richiamano immagini esotiche, finché concetti come burka, talebano e corruzione non le annientano. Sulle tracce di Nicolas Bouvier, Ella Maillart e Annemarie Schwarzenbach, anche il fotografo zurighese Daniel Schwartz ha percorso la regione - dal Mar Caspio alla provincia cinese di Xinjiang - per scoprirla attraverso il viaggio e la lettura. Schnee in Samarkand , un volume di quasi 1'000 pagine stampate in piccolo, presenta questa regione, così importante sul piano geo-politico, in modo molto dettagliato e quasi enciclopedico. Se i densi articoli introduttivi si rivelano purtroppo dispersivi e l'assenza di carte geografiche è insensata, va anche detto che gli appunti di viaggio, con le loro storie, gli incontri e gli approfondimenti storici, danno un'immagine accessibile e viva di un mondo sempre attraente e sconosciuto.

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En bref et en français

L'Asie centrale tient encore de la Terra incognita. Des villes comme Boukhara ou Samarcande évoquent des images exotiques, aussitôt anéanties par des mots et des concepts comme burqa, taliban et corruption. Sur les traces de Nicolas Bouvier, Ella Maillart et Annemarie Schwarzenbach, le photographe zurichois Daniel Schwartz a lui aussi traversé la région, de la Mer Caspienne à la province chinoise du Xinjiang, pour la découvrir à la fois à travers le voyage et la lecture. Schnee in Samarkand , un volume de près de 1000 pages imprimées serré, présente cette région, importante sur le plan géopolitique, de manière très détaillée et presque encyclopédique. Si les denses articles introductifs s'avèrent hélas difficiles à suivre, et l'absence de cartes est regretteable, les notes de voyage, elles, avec leurs histoires, leurs rencontres et leurs approfondissements historiques donnent une image accessible et vivante d'un monde toujours attirant et méconnu.

 

Page créée le: 19.01.09
Dernière mise à jour le: 19.01.09

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