In ihrem neuen Roman Keiner
wars zeichnet Isolde Schaad das Porträt einer Generation,
die ihre Zukunft hinter sich weiss. Gewitzt und beschwingt,
doch nicht ganz ohne Fehl.
Abfalltrennung als Widerstandsaktion
Es ist auch nicht mehr wie auch schon.
Die alten Zeiten sind vorbei, als die roten Fahnen flatterten
und in zerwühlten Betten jede Liebeslust befriedigt
wurde. Die Helden und Heldinnen von einst sind älter
geworden und mühen sich mit unwillkommenen Gebresten.
Die Kampfzone beschränkt sich inzwischen auf die Nachbarschaft.
Doch an einer ruhigen Strasse im
Kreis 10 der Stadt Z. gibt es noch eine WG, in der Carola,
Schorsch und Buffi loyal das Fähnlein der Aufrechten
hochhalten. Auf Zeit ist auch G. (mit vollem Namen Gottfried
Keller) in den Single-Haushalt zurückgekehrt. An dieser
Adresse überwintert der Feminismus, den junge Dinger
nicht mal dem Wort nach kennen, bestücken Bloch und
Adorno die Bibliothek und wird der Gewerkschaft die Treue
gehalten. Die Hausherrin und Erbin Carola hält den
Laden resolut zusammen, und der notorische Gutfritz
Schorsch, von vereinzelten Besuchen in roten Etablissements
abgesehen, hat das soziale Frausein verinnerlicht.
Vom alten Geist lebt auch im Haus
nebenan etwas weiter, sei es nur in Form von schlechtem
Gewissen. Waltraut versucht ihre Miyakebluse loszuschlagen,
nicht um näher an Volkes Lebensart zu sein, sondern
weil sie angeblich verstrahlt ist. Und Madeleine trainiert
auf den Kieser-Trainingsaggregaten, um sich für Edgar
fit zu halten, der womöglich fremd geht, was sie neurotisch
macht. Abfalltrennung und Fleischlosigkeit aber sind kollektive
Tugenden über allen Dissens hinweg.
Die Generation von 68 ist bürgerlich
und träge geworden. Das Klischee ist nicht nur falsch,
wie Tatsachen belegen. Mitunter macht es heute den Anschein,
dass der Marxismus-Leninismus als Kaderschule für bürgerliche
Politkarrieren gedient hat. Und wer die Kurve nicht kriegt,
tummelt sich in wehmütigen Erinnerungen oder in Klagen
über den verderbten Konsumwahnsinn. Die Geschichten,
die uns Isolde Schaad in ihrem Roman mit Lust auftischt,
bestätigen solche Vorstellungen, ohne sie über
Gebühr auszureizen. Die Autorin, ist bei der Lektüre
zu spüren, kennt die Situation aus persönlicher
Erfahrung - und liefert selbst ein Gegenbeispiel dazu.
Das politische Dilemma der
Linken ist das soziale Dilemma: Wenn man links steht, muss
man doch irgendwie gut sein. Dieses Zitat kreuzt sich
wohl nicht zufällig mit dem neuen Buch von Nick Hornby
(How to Be Good). Gemeinsam ist beiden das Thema
der Vergänglichkeit von revolutionären Ideen.
Wie aber soll das Loch gefüllt werden? Damals, weiss
der biedere Blattmacher Fredy, damals ging es uns
noch um so etwas wie Wahrheitsfindung. Wallraff etwa,
der zwar auch nicht mehr ist, was Schorsch von ihm, seinem
Idol, erwartet.
Ironie und Sarkasmus teilen sich
Schaad und Hornby. Der Blairsche Sozialdemokratismus unterscheidet
sich kaum vom kleinbürgerlichen Gerecht-und-ordentlich-Denken,
wie es die über 80-jährige Frau Rast verkörpert,
dieses lebendige Denkmal der Schweizer Sozialdemokratie.
Hierin spielt Isolde Schaad ihre Stärken voll aus:
eine virtuose, schnelle, anekdotische und immer spitze Schreibweise,
die kaum ins Kalauern gerät. Insbesondere das ironisch
mit leichter Larmoyanz unterfütterte Gefühl des
Älterwerdens, das ebenso gelassen macht wie Schlaflosigkeit
verursacht, trifft sie ausgezeichnet.
Dafür wirkt das isolierte Kapitel,
das den bösen Erfahrungen von Ylmaz Shulamit Hamna
gewidmet ist, befremdlich in dem Textganzen. Auch andere
Figuren lässt die Autorin im Laufe des Romans etwas
gar sang- und klanglos auf- und abtreten. Signale für
diese dramaturgischen wie auch stilistischen Patzer sind
falsch geschriebene Namen (Liotard, Lukacz, Myake); ob bewusst
gesetzt oder zufällig, bleibt unbekannt.
Doch am Ende obsiegt das Positive.
Für die Lesenden. Die Art, wie hier Bilanz gezogen
wird über das Wirken der 68er Generation, ist frech
und geistreich, doch frei von falscher Häme. Alle kriegen
ihr Fett ab. Jede Generation scheitert, wenn ihre Zukunft
Vergangenheit geworden ist und ihr Elan sich an den weiten
Stränden des Alltags verlaufen hat. Gut, wer dann noch
solchen Witz besitzt wie Isolde Schaad.
Isolde Schaad. Keiner wars. Roman. Limmat
Verlag, Zürich 2001. 306 Seiten.
Beat Mazenauer
Page créée le: 28.12.01
Dernière mise à jour le 28.12.01
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