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Drehpunkt 108

Die Schweizer Literaturzeitschrift
http://www.dreh-punkt.ch

  drehpunkt 108
 

drehpunkt 108

 

Herausgegeben von
Rudolf Bussmann und Martin Zingg

Nr. 108, November 2000

  Inhaltsangabe


Liebe Leserin, lieber Leser
Fisimatenten.

So war es. So war es nicht

Erica Pedretti : So war es. So war es nicht
Friederike Kretzen : Einführung
Eleonore Frey : Fannys Garten
Sabine Peters : So ist es. Ist es so ?
Zsuzsanna Gahse : Wessen
Klaus Merz : Erber
Judith Kuckart : Davon später
Michael Stauffer : Bastelbiographie
Theres Roth-Hunkeler : Das Familienerbe
Wilhelm Genazino : Ich wollte Wahrheit
Jürgen Theobaldy : Was dir die Wolken sagen
Urs Widmer : Schreiben und Tradition
Eine Nacht im Leben von Hermann Kinder

Besprechungen und Hinweise

Rudolf Bussmann über Urs Widmer
Werner Morlang über Ueli Bernays
Elsbeth Pulber über Alice Rivaz
Neuerscheinungen von Schweizer Autorinnen und Autoren
Die Autorinnen und Autoren
Impressum

 

  Liebe Leserin, lieber Leser


Ein Text, wir wissen es, ist immer auch eine Antwort auf andere Texte. Er steht mit ihnen in einem vertraulichen Dialog, der oft so leise ist, dass selbst die Schreibenden nichts von ihm ahnen. Wäre es möglich, den Dialog hörbar und auch für Aussenstehende zugänglich zu machen ?

Zusammen mit der Schriftstellerin Friederike Kretzen, der wir die Idee zu diesem Heft verdanken, legten wir uns auf die Lauer. Der "Ur"-Text, so die Verabredung, sollte aus weiblicher Hand stammen. Den Auftakt machte Erica Pedretti. Wir baten sie, für unser Vorhaben einen Text zu schreiben, der gleichsam als Sonde dienen würde. Viele Bücher Erica Pedrettis handeln davon, wie wir mit Vergangenem umgehen, wie weit der Erinnerung zu trauen ist und welchen Anteil daran die Sprache hat. Ihren Beitrag legten wir einer Reihe von Autorinnen und Autoren mit der Bitte vor, sich schreibend darauf einzulassen. Auf den folgenden Seiten lesen Sie das vielstimmige Gespräch, das dadurch in Gang gekommen ist. Dass die Autorinnen sich näher an die Vorlage heranbewegen, mit Namen und Figuren unbekümmerter spielen, den Dialog intimer führen als ihre männlichen Kollegen, ist eine der Überraschungen, die sich heraushören lassen.

Allen, die zum Gelingen dieses Projekts beigetragen haben, gilt unser Dank, namentlich Erica Pedretti für ihre spontane Bereitschaft, den Initialtext zu schreiben, Friederike Kretzen für ihre vermittelnde Hand und die einführenden Worte. Und Hermann Kiner für den Einblick in sein nächtliches Treiben, Gian Pedretti für seine Zeichnungen.

Rudolf Bussmann und Martin Zingg

 

  Fisimatenten

Eine richtige Eigenbrötlerin, die deutsche Sprache. Muss offenbar hin und wieder reformiert werden, vor allem betr. Rechtschreibung, aber dann gibt es gleich wieder neue Probleme, man sieht es kommen. schon soll die Reform in die Reparatur. Und dann weiss man nicht so recht, ob man die Schadenmeldung noch ein letztes Mal in der guten alten Rechtschreibung formulieren darf oder sich nun definitiv mit der weniger guten neuen oder allenfalls mit der inzwischen reparierten weniger guten neuen begnügen muss.

Ganz plötzlich, der Himmel war heiter, regte sich jüngst wieder einmal Unmut und anschliessend Widerstand gegen die Recht-schreibereform, einige Sprachteilnehmer und -innen, allen voran die FAZ, wollten beispielsweise wieder unterscheiden dürfen zwischen "zusammenarbeiten" und "zusammen arbeiten", welcher Unterschied ja früher noch bekannter war und sich sprachlich auch angemessen darstellen liess. Durchaus richtig, diese Unterscheidung sollte auch in der Sprache vorkommen dürfen, etwas kleinlaut und kleingedruckt hat die jüngste Ausgabe der Dudenschen Rechtschreibefibel uns das mittlerweile zugestanden. Da wäre wieder Ordnung.

Und der Rest ? Die reformierte Rechtschreibung hat mit ihren neuen Kommaregeln und ihren Vorschriften bezügl. Wortverflechtung und -entkoppelung eine wunderbare Konfusion gestiftet, eine, die im Grunde sehr kreativ ist. Im Schutze dieser Konfusion ist vielleicht mehr möglich als früher. Also ist auch das Alte teilweise wieder oder immer noch zugelassen. Bei Goethe, nur zur Erinnerung, finden wir "seines Gleichen" und "oben drein" und "mit nichten" und "in's besondere" und "denn noch", bald ist all das wieder möglich. Es gibt ja seit der Reform der deutschen Rechtschreibung keine zwei Wörterbücher mehr, die in allen Regeln übereinstimmen. Weil die entsprechenden Verlage nicht zusammenarbeiten, sondern nur, den Blick auf die steilen Umsatzkurven geheftet, zusammen eine Reihe von Vorschriften interpretieren. Und auf diese kann sich jeder seinen eigenen Reim machen, die NZZ etwa hat sich aus der Konfusion in ein eigenes Regelwerk gerettet, durchaus nachahmenswert. Die Reform der Reform der Reform, falls es mal eine geben wird, wird, das lässt sicht jetzt schon sagen, jede Regel mit so vielen Ausnahmen oder Ausnamen zudecken, dass wihr dan shraibn könn'n wi wir wolln, lauter kleine Arno Schmidts. Auch wenn einem dann manches "zu nichts sagend" scheinen möchte, was früher bloss "zu nichtssagend" war. Aber dann halten wir und an die Ladenschilder des Dienstleistungsgewerbes : ein Figaro nennt seinen Laden "Hin & Hair", ein Reisebüro heisst "Sonne und mehr", und auch so wird, frei nach einer bekannten Öko-Parole, die Sprache fair-ändert.

Martin Zingg

 

Page créée le 30.11.00
Dernière mise à jour le 20.06.02


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