Eine richtige Eigenbrötlerin, die
deutsche Sprache. Muss offenbar hin und wieder reformiert
werden, vor allem betr. Rechtschreibung, aber dann gibt es
gleich wieder neue Probleme, man sieht es kommen. schon soll
die Reform in die Reparatur. Und dann weiss man nicht so recht,
ob man die Schadenmeldung noch ein letztes Mal in der guten
alten Rechtschreibung formulieren darf oder sich nun definitiv
mit der weniger guten neuen oder allenfalls mit der inzwischen
reparierten weniger guten neuen begnügen muss.
Ganz plötzlich, der Himmel war
heiter, regte sich jüngst wieder einmal Unmut und anschliessend
Widerstand gegen die Recht-schreibereform, einige Sprachteilnehmer
und -innen, allen voran die FAZ, wollten beispielsweise wieder
unterscheiden dürfen zwischen "zusammenarbeiten"
und "zusammen arbeiten", welcher Unterschied ja
früher noch bekannter war und sich sprachlich auch angemessen
darstellen liess. Durchaus richtig, diese Unterscheidung sollte
auch in der Sprache vorkommen dürfen, etwas kleinlaut
und kleingedruckt hat die jüngste Ausgabe der Dudenschen
Rechtschreibefibel uns das mittlerweile zugestanden. Da wäre
wieder Ordnung.
Und der Rest ? Die reformierte Rechtschreibung
hat mit ihren neuen Kommaregeln und ihren Vorschriften bezügl.
Wortverflechtung und -entkoppelung eine wunderbare Konfusion
gestiftet, eine, die im Grunde sehr kreativ ist. Im Schutze
dieser Konfusion ist vielleicht mehr möglich als früher.
Also ist auch das Alte teilweise wieder oder immer noch zugelassen.
Bei Goethe, nur zur Erinnerung, finden wir "seines Gleichen"
und "oben drein" und "mit nichten" und
"in's besondere" und "denn noch", bald
ist all das wieder möglich. Es gibt ja seit der Reform
der deutschen Rechtschreibung keine zwei Wörterbücher
mehr, die in allen Regeln übereinstimmen. Weil die entsprechenden
Verlage nicht zusammenarbeiten, sondern nur, den Blick auf
die steilen Umsatzkurven geheftet, zusammen eine Reihe von
Vorschriften interpretieren. Und auf diese kann sich jeder
seinen eigenen Reim machen, die NZZ etwa hat sich aus der
Konfusion in ein eigenes Regelwerk gerettet, durchaus nachahmenswert.
Die Reform der Reform der Reform, falls es mal eine geben
wird, wird, das lässt sicht jetzt schon sagen, jede Regel
mit so vielen Ausnahmen oder Ausnamen zudecken, dass wihr
dan shraibn könn'n wi wir wolln, lauter kleine Arno Schmidts.
Auch wenn einem dann manches "zu nichts sagend"
scheinen möchte, was früher bloss "zu nichtssagend"
war. Aber dann halten wir und an die Ladenschilder des Dienstleistungsgewerbes
: ein Figaro nennt seinen Laden "Hin & Hair",
ein Reisebüro heisst "Sonne und mehr", und
auch so wird, frei nach einer bekannten Öko-Parole, die
Sprache fair-ändert.
Martin Zingg
Page créée le 30.11.00
Dernière mise à jour le 20.06.02
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