Es gibt Bücher, die werden verlegt
- und dann nicht mehr gefunden. Sie figurieren im "Verzeichnis
lieferbarer Bücher", gelten also als "lieferbar",
sind es in Wirklichkeit aber kaum, und wer dennoch ein Exemplar
ergattern kann, hat ganz einfach Glück gehabt.
Die Baselbieter Autorin V. hat ein
solches Buch geschrieben. Es handelt sich dabei um einen Roman.
Eigentlich wollte Kunigunde das Abendland retten, so heisst
er, und ist ein von Einfällen nur so sprudelndes Opus,
das über 600 Seiten stark ist. Die Autorin hat jahrelang
daran geschrieben, und Jahre dauerte auch die Reise des Manuskripts
durch die deutschsprachige Verlagswelt. Es gab überall
Komplimente, aber ebenso oft auch die nicht ganz unverständliche
Scheu, das so umfangreiche Erstlingswerk einer vollkommen
unbekannten und auch nicht mehr so jungen Autorin zu publizieren.
Die Literaturkreditkommission des Kantons Basel-Stadt ermutigte
die Autorin 1997 mit einem Werkbeitrag von 20'000 Franken,
das Geld sollte ihr den Abschluss des Romans und allfällige
Lektoratsarbeiten ermöglichen.
Fast schien es, als hätte die
schwierige Verlagssuche ein glückliches Ende gefunden.
Der Frankfurter Verleger D. erklärte sich bereit, das
Buch in sein Programm aufzunehmen, und die Autorin, sie ist
mittlerweile 78 Jahre alt und von überaus gutgläubiger
Natur, schob ihm ziemlich erleichtert auch gleich das ganze
Geld hinüber, das ihr die Kommission zugesprochen hatte.
Dass sie das nicht hätte tun sollen,
weiss sie erst jetzt. Denn das Buch fand zwar Aufnahme in
die einschlägigen Verzeichnisse, selbst in einigen wenigen
Inseraten wird es angepriesen, einer winzigen Öffentlichkeit
zwar, aber immerhin - in die Hand bekommt es indessen kaum
jemand.
Das Buch ist verlegt, aber unauffindbar.
Der Verleger D. hält das Buch nämlich als "Book
on Demand" feil : Das Buch kann in kleinsten Auflagen
hergestellt werden, wird aber erst dann gedruckt, wenn es
jemand bestellt hat. Druck auf Verlangen. Verlangt wird ein
solches Buch jedoch - umständehalber und nicht ganz überraschend
- vor allem von jenen Menschen, die auch was davon wissen
und das Werk vielleicht mal in die Hand nehmen und darin blättern
konnten. Und die überdies auch wissen, wo sie es bestellen
müssen, was in diesem Fall auch nicht immer klar scheint.
Das "Book on Demand" - Verfahren,
dessen Aufschwung wir gerade erleben, ist eine risikoarme
Möglichkeit, ein Buch zu verlegen. Es fallen keine Lagerkosten
an, das Buch ist nie vergriffen. Zudem sind die Herstellungskosten
eher niedrig, weil die Autorinnen und Autoren den Satz in
der Regel gleich mitliefern - das Risiko trägt also vor
allem, wer das Buch geschrieben hat. Und in diesem Fall ist
die Autorin, Anne Vorwerck, die Geprellte. Ihr Roman bleibt
noch zu entdecken : soweit der Verleger, Axel Dielmann, mit
dem Buch überhaupt herausrücken mag. Und dass er
das nur zögerlich tut, wird vielleicht auch mit dem satten
Geldbetrag zusammenhängen, den er schon eingesteckt hat...
Martin Zingg
Page créée le 30.08.01
Dernière mise à jour le 20.06.02
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