|
Liebe Leserin, lieber Leser,
Ludwig Hohl (1904–1980) war schon zu seinen Lebzeiten eine Legende. Auch wer nicht zu seinen Lesern gehörte, hatte vom Sonderling schon gehört, der in einem Keller hause, seine Manuskripte an einer Wäscheleine aufhänge und mit der Pistole herumfuchtle. Jüngere Autoren unternahmen Wallfahrten zum genialischen Einsiedler. Ihre Versuche, Hohls literarische Bedeutung in Erinnerung zu rufen und die Legende zu entmy-stifizieren, machten den Autor engültig zur literarischen Figur, in der sich Dichtung und Wahrheit unauflöslich verwoben. Die Texte zweier Hohl-Reisender aus den sechziger Jahren sind in dieser Nummer abgedruckt: Sie stammen von Peter Bichsel und Jörg Steiner.
|
|
Wir wollten in Erfahrung bringen, wie Schreibende heute die Notizen, Hohls Hauptwerk, lesen oder wiederlesen. Lässt sich in irgendeiner Weise an Hohls Denken, an sein Schreiben anknüpfen – was davon kann heute noch berühren?
Die Frage legten wir einer Reihe von Autorinnen und Autoren vor. Interessant, dass mancher Beitrag wiederum Hohls Person thematisiert – nicht nur der Bericht Peter Friedlis, des Fotografen und Arztes, der an die Begegnung mit seinem Freund erinnert. An Hohls Schreiben anknüpfen? Dazu war der Autor ein allzu eigenwilliger Querdenker. »Die soziale Wirkung des Schriftstellers«, sagt er hellsichtig in einem der Texte, mit denen das Heft schliesst, »ist im allgemeinen gleich Null«. Indes zählt neben der sozialen Wirkung vor allem die literarische. Und die ist in seinem Fall bemerkenswert – nach wie vor sind Hohls Notizen hochgradige Anreger für Literatinnen und Leser.
Wir danken allen, die bei dieser Nummer mitgemacht haben, namentlich auch der Künstlerin Hanny Fries, der langjährigen Freundin Ludwig Hohls, für ihre Traumbilder und »Nachtfenster«, angeregt durch die Lektüre der Notizen.
Rudolf Bussmann und Martin Zingg
|