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Variations 3

Literaturzeitschrift der Universität Zürich - Revue littéraire de l'Université de Zürich
http://www.variations.uzh.ch

  Variations 3

 

Grenzen, Übergänge – zwei Begriffe, deren intellektueller Reichtum sich nicht nur auf philosophischer und theologischer Ebene, sondern auch an literarischen Beispielen entfalten kann.Die vorliegende Nummer der Zeitschrift Variations untersucht in Artikeln, Bildern und kreativen Texten verschiedene Grenzen und Übergänge zwischen Künsten, Genres, Stilen, Motiven, Zeiten und Räumen. Dabei geht es einerseits um die intellektuelle Herausforderung als virtuoses Spiel zwischen teils markanten, teils verschwimmenden Dichotomien, andererseits aber auch um grundlegende Aspekte des Lesens und Verstehens.

  Inhaltsverzeichnis

Editorial

I Grenzen und Übergänge

En repassant le Rhin: Heine et Nerval (Dagmar Wieser)
Das Leben: Begrenzt, daher nichtig? (Christine Weder)
Franchisseurs de limites: Hugo et Wagner (Sylvie Jeanneret)
Samuel Beckett: la musique du silence (J.-P. Gavard-Perret) Komik des mehrfachen Todes (Johannes Keller) „
Le pourrissoir que sont les banlieues" (Raphael Zehnder)

II Literarische Texte

Là pour me souvenir (Markus Hediger)
Pseudosonetti Rorschach (Lello Voce)
Maßlos (Marek Kedzierski)
Geschichte hinter Glas (Johannes Binotto)

III Rezensionen, Projekte, Tagungsberichte

Rezensionen
Literaturkalender Zürich
Literaturgeschichte der Unschuld
Le théâtre d’Adam de la Halle
Endzeitvorstellungen – ein historischer Vergleich
Die Ordnung von Wirklichkeit und Fiktion
Mit Kunst und Kultur Staat machen

 

  Editorial


Grenzen, Übergänge – zwei Begriffe, deren intellektueller Reichtum sich nicht nur auf philosophischer und theologischer Ebene, sondern auch an literarischen Beispielen entfaltet. Nachdem bereits Platon die Grenze als ein wesentliches Merkmal des Seienden erkannt hat, stellt Aristoteles die Existenz des Unbegrenzten, Unendlichen grundsätzlich in Frage. Einzig im Bereich der Mathematik sei diese Existenz als Möglichkeit denkbar. Dieser Ansatz ist zu erweitern: Grenze ist der Ort, an dem sich Endliches und Unendliches treffen, sie ist das beiden Gemeinsame, das kaum zu fassen und doch von zentraler Bedeutung für jede Erkenntnis ist. Die Literatur im weitesten Sinn legt Zeugnis ab von der Suche nach dieser Grenze; sie dokumentiert die Vielfalt eines Grenzgangs, der die Grenze einzig im Überschreiten plötzlich fassen, gleichzeitig aber auch wieder verlieren kann.

Die vorliegende Nummer der Zeitschrift Variations untersucht in Artikeln, Bildern und kreativen Texten verschiedene Grenzen und Übergänge zwischen Künsten, Genres, Stilen, Motiven, Zeiten und Räumen. Das Überschreiten von Grenzen schafft Sinn und Illusion, bedeutet manchmal verzweifelte Erkenntnis der menschlichen Beschränktheit, manchmal aber auch lustvolle Revolte. Daraus resultieren die Faszination, aber auch die existentielle Tragweite des Themas. Es geht hierbei einerseits um die intellektuelle Herausforderung als virtuoses Spiel zwischen teils markanten, teils verschwimmenden Dichotomien, andererseits aber auch um grundlegende Aspekte des Lesens und Verstehens. Die nachfolgenden Artikel sind Zeichen dafür, wie Spiel und Hermeneutik in immer neue und überraschende Konstellationen treten. Das Konzept ‚Grenze‘ ist zugleich Phantom und Matrix: Es ist Struktur, die sich im Überschritten-Werden als produktiver Schein entpuppt.

Dagmar Wieser hat in ihrem Artikel einen „stereoskopischen" Ansatz gewählt und vergleicht das Wechselspiel der Identitäten bei Heine und Nerval. Beide Dichter imaginieren ihre ideale Heimat jenseits des Rheins; beide müssen sich später der entzauberten Realität stellen. In ihrer Analyse der Versnovelle Der Welt Lohn von Konrad von Würzburg verdeutlicht Christine Weder die zentrale Rolle des Todes als Grenze der Nichtigkeit dieser Welt, eine Begrenztheit, die sich in der hässlichen Rückseite der personifizierten Frau Welt manifestiert. Ausgehend vom Motiv des Ozeans zeigt Sylvie Jeanneret in ihrem Beitrag zu Hugo und Wagner, wie sich der Hang zum Masslosen bei ersterem in scharfumrissenen Gegensätzen niederschlägt, während er beim zweiten eher in sanften Übergängen aufgehoben wird. Auch Jean-Paul Gavard-Perrets Artikel zu Beckett befasst sich mit der Begegnung von Literatur und Musik bzw. von Sprache und Stille. Wie nah die Komik dem Tod, der sich auf einer Ebene sinnloser Gewalt manifestiert, stehen kann, wird aus Johannes Kellers Untersuchung eines Märe von Hans Rosenplüt ersichtlich. Raphael Zehnder führt uns schliesslich zur unmittelbaren Moderne, indem er die Poetik der französischen Rapper unter die Lupe nimmt.

Im zweiten Teil der Zeitschrift stehen Gedichte von Markus Hediger und Lello Voce neben erzählerischen Texten von Marek Kedzierski und Johannes Binotto. Auch die graphischen Beiträge dieser Nummer setzen sich mit der Thematik der visuellen Grenzerfahrungen auseinander. Die Photos von Reto Hadorn1 grenzen in Triptychen die literarischen Texte voneinander ab, jene von Felix Wey2 eröffnen und beschliessen den kritischen Teil. Tomas Rizek3 liess sich vom Thema zu drei Bildern inspirieren. Sie bilden den Abschluss des literarischen Teils.

Der dritte Teil ist nach wie vor Rezensionen und Projektbeschrieben gewidmet, präsentiert sich aber graphisch und inhaltlich in neuer Form. Die Rezensionen sind kürzer, dafür zahlreicher und in pointierterer Form vertreten. Die breite Palette der vorgestellten Bücher erlaubt einen vielschichtigen Einblick in die gegenwärtige Forschung und Literatur. Neu hinzugekommen sind Berichte von ausgewählten Veranstaltungen, die sich durch ein fächerübergreifendes Interesse auszeichnen.

1.Reto Hadorn ist Soziologe in Bern. Seine Aufnahmen stammen aus dem Val d’Hérens und aus dem Centovalli.
2. Felix Wey ist Photograph und lebt im aargauischen Wohlen.
3. Tomas Rizek (1963) ist Maler und Illustrator. Er lebt in Prag.

 

Page créée le 16.12.99
Dernière mise à jour le 20.06.02

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