Friederich Glauser
Pfützen schreien so laut ihr Licht. Gesammelte Gedichte. -:
Man kann so schön mit Dir schweigen. Briefe an Elisabeth von Ruckteschell und die Asconeser Freunde. -
Beide hg. von Bernhard Echte, Nimbus Verlag, Wädenswil 2008.
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Friederich Glauser/ Gedichte und Briefe |
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Am 8. Dezember 1938 verstarb Friedrich Glauser im italienischen Nervi. 70 Jahre später erscheinen erstmals zwei Bände mit frühen Texten, die ein interessantes Licht auf den jungen Friedrich Glauser werfen. 1917 debütierte Glauser als Dichter, als er 21-jährig zusammen mit Hugo Ball und Tristan Tzara bei den legendären Dada-Soiréen im Cabaret Voltaire auftrat. Ein Jahr später aber wurde er wegen kleineren Delikten und wegen Drogensucht unter Vormundschaft gestellt und so erstmals seiner Freiheit beraubt. Dichterisch versuchte sich Glauser aus diesem Korsett zu befreien, seine Verse allerdings blieben ungelenk und epigonal expressionistisch. In dieser Phase versuchten ihm neue Freunde zu helfen, unter ihnen Elisabeth von Ruckteschell, Glausers Geliebte dieser Jahre. Ihr Briefwechsel erzählt – im Unterschied zu den Gedichten – echt, authentisch von den Nöten jener Jahre, die Glauser selbst seiner Freundin gegenüber zu Notlügen und taktischem Kalkül zwangen.
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Auskünfte über die jungen Jahre (Beat Mazenauer) |
En bref et en français - In breve in italiano
Es gibt schon gute Gründe, weshalb Glauser heute als Prosaautor hoch geschätzt wird. Sein Romanwerk beeindruckt noch immer durch sein warmherziges Engagement und seine bezaubernde Schlichtheit. Glauser hatte nicht nur für seine verschupften Helden, sondern auch für die Sprache ein grosses „Gspüri“. Den jetzt erstmals veröffentlichten Gedichten mangelt gerade dieses noch schmerzlich. Als Dichter debütierte Glauser schon 1917, als 21-Jähriger, auf der Dada-Bühne des Cabaret Voltaire. Die Texte, die er damals neben Ball und Tzara vortrug, sind verschollen. In den darauf folgenden Jahren aber verfasste Glauser rund drei Dutzend Gedichte, die erhalten geblieben sind. Stilistisch ist darin überdeutlich ein Faible für die expressionistische Lyrik spürbar. Glauser stattet seine Zeilen reichlich mit pathetischen, grellen Bildern aus, in denen ein problematisches Verhältnis zur Welt manifest wird. Auch wenn ein solches durchaus biographische Gründe besass – Glauser wurde 1918 wegen „lasterhaften und liederlichen Lebenswandels“, das heisst Diebstahl und Drogensucht, entmündigt – gelang es ihm nur selten, diese Gefühle in authentisch klingende Verse zu verwandeln. Unter syntaktischen Verrenkungen verrutschen ihm vielmehr auch die Gefühle. „Nie werden der Häuser weisse Münder Märchen erzählen“, heisst eine Zeile im Gedicht „Glocken“; und unter dem verheissungsvollen Titel „Der Tod (I)“ lässt sich das lyrische Ich zu folgenden Zeilen hinreissen:
„O, wir schwache Propheten, wir ungläubige!
suchen in bleichen Himmeln Morgenröte und Trost,
unsre Augen sind blind.“
Glauser hat sich mit gutem Recht der Prosa zugewandt, auch wenn die wenigen späteren Gedichte stilsicherer, doch kaum eigenständig klingen. In seinem Nachwort schreibt der Herausgeber Bernhard Echte, „dass Glauser vieles bereits zu kennen meint, bevor er es erlebt“ hat. Dieses Kennen und Wissen schien seine echten Gefühle zu überdecken. Derart lässt sich stimmig diese frühe, unausgegorene Lyrik deuten.
Parallel zu den Gedichten erscheint ebenfalls als Neuheit ein gleichermassen sorgfältig und ausführlich kommentierter Band mit Briefen, die Glausers frühe Jahre aus anderer Perspektive beleuchten. Im Briefwechsel mit seiner damaligen Freundin Elisabeth von Ruckteschell und den Asconeser Freunden wird sozusagen die Kehrseite des expressionistischen Mutwillens hin zum Verdrehten sichtbar.
1919 lernte Glauser neue Freunde kennen, die in Ascona einen literarischen, esoterisch angehauchten Zirkel im Haus des Schriftstellers Robert Binswanger bildeten. Unter ihnen war die zehn Jahre ältere „Lison“, wie Glauser sie in den Briefen meist nennt. Glauser war von Binswanger nach Ascona eingeladen worden – gegen den Willen des Vormunds. Vor allem die Liebe zu Lison wirkte hier belebend auf ihn, schriftstellerisch aber kam er mit der idyllischen Ruhe nicht zurecht. Seine brieflichen Auskünfte geben Zeugnis von einem Willen, der sich nur stockend einlösen liess. Und bald häuften sich wieder die Notsignale und kleinen Katastrophen, die auch seine Beziehung zu Lison strapazierten. „Ich hab dich lieb. Wenn du 5 fr entbehren kannst schick mir bitte“, schrieb ihr Glauser in einer Mischung aus Zuneigung und Berechnung, die für den drogenabhängigen Glauser typisch war. Fast zwangsläufig folgten kleinere Delikte, gefälschte Arztrezepte, Polizei und Internierung. Glausers Briefe an Lison sind beredte Dokumente eines unfreien Lebens, das sich 1923 schliesslich resolut Luft verschaffte, als sich Glauser nach einer neuerlichen Komplikation in die Fremdenlegion absetzte. In den frühen Erzählungen und vor allem in den ungelenken Gedichten spiegelt sich diese biographische Unrast.
Friedrich Glauser: Pfützen schreien so laut ihr Licht. Gesammelte Gedichte. -: Man kann so schön mit Dir schweigen. Briefe an Elisabeth von Ruckteschell und die Asconeser Freunde. - Beide hg. von Bernhard Echte, Nimbus Verlag, Wädenswil 2008.
Beat Mazenauer
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En bref |
En bref et en français
A 70 années de la mort de Glauser, deux volumes de textes inédits viennent jeter une nouvelle lumière sur la jeunesse de l'écrivain. En 1917, en effet Glauser faisait ses débuts littéraires en qualité de poètes. A 21 ans, il était des légendaires soirées du Cabaret Voltaire, en compagnie de Hugo Ball et Tristan Tzara. Une année plus tard, il était mis sous tutelle pour de petits délits et en raison de sa toxicomanie. Glauser a essayé de se libérer de ce corset par la poésie, mais ses vers d'obédience expressionniste restent bien moins convaincants que sa prose à venir. Plusieurs amis voulurent l'aider pendant cette période, parmi lesquels son amante Elisabeth von Ruckteschell. Leur correspondance raconte sans fard, avec la plus grande authenticité, les désarrois de cette période, qui poussent en même temps Glauser à mentir à son amie par nécessité.
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In breve in italiano
A 70 anni dalla morte di Glauser, due volumi di testi inediti gettano una nuova luce sui suoi anni giovanili. Il primo raccoglie gli esordi letterari di Glauser come poeta: lo scrittore, che ventunenne vive le leggendarie serate del Cabaret Voltaire, in compagnia di Hugo Ball e Tristan Tzara, ma nel giro di un anno si trova sotto tutela per piccoli reati e tossicomania, cerca di liberarsi dalla morsa degli eventi con la poesia, anche se i suoi versi d'impronta espressionista restano decisamente meno convincenti delle prose che seguiranno. Diversi amici, in questi momenti travagliati, cercano di aiutarlo; tra loro, la sua amante Elisabeth von Ruckteschell: il carteggio con Glauser (che corrisponde al secondo volume di testi inediti) racconta senza fronzoli e con grande autenticità lo sgomento di questo periodo.
Page créée le: 17.12.08
Dernière mise à jour le: 06.01.09
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