Flurin Speschas früher Tod
infolge eines Herzversagens hat eine Lücke hinterlassen.
Allzu früh verstarb mit ein nicht nur ein wandlungsfähiger
Schriftsteller und ein grossartiger Diskussionspartner,
sondern auch ein überzeugten Verfechter des Rumantsch
Grischun.
Flucht aus der Sauerstoffarmut des
Idioms
Flurin Spescha habe eine besondere Begabung für Kommunikation
und Freundschaften gehabt, schrieb Clo Duri Bezzola in seinem
Nachruf. Trotzdem konnten sich seine Ideen, seine Talente
zuhause in Romanischbünden nicht so recht
entfalten. Iso Camartin bemerkt in seinem persönlichen,
kurzen Nachwort zum Band Wie wärs mit etwas Meer?,
dass niemand ihm ernsthaft je eine Chance einräumen
wollte: Überall ist er mit seinen Angeboten abgeblitzt.
In Zürich erst, beim Stadtpräsidenten Josef Estermann,
fand Spescha das nötige Vertrauen, als er 1994 als
Öffentlichkeitsbeauftragter angestellt wurde.
Die Skepsis in Graubünden mag damit zusammen hängen,
dass Spescha ein Rebell, ein Luftibus, ein Träumer
war, mit dem die Nächte lang wurden und die Gespräche
bunt. Aber auch damit, dass er schon 1993 dezidiert für
die romanische Hochsprache Rumantsch Grischun eintrat, um
nicht an der Sauerstoffarmut des Idioms zu ersticken.
Spescha wollte nicht als Autor dilettieren, wie beispielsweise
sein Vater Hendri Spescha, sondern vom Schreiben leben.
Dabei war er sich bewusst, dass er sich nebst dem Romanischen
auch aufs Deutsche stützen musste.
Wie wärs mit ein bisschen Meer? weckt
das Andenken an den 2000 mit 42 Jahren verstorbenen Flurin
Spescha. Darin finden sich literarische Zeugnisse einer
grossen Passion versammelt: Poetisches, Prosaisches, Politisches,
das in schnelllebigen Publikationen erschienen oder teilweise
noch unveröffentlicht ist. Im Titel klingt das Spielerische
an, das in vielen dieser Texte mitschwingt, ohne zu dominieren.
Ausdrücklich im Kapitel Malizias / Bosheiten,
worin Spescha, in Dreisätzen, präzise die alltäglichen
Kommunikationsbarrieren aufs Korn nimmt.
Kommunikation braucht Sprache. Um dieses Thema kreisen
die meisten der hier versammelten Texte. Im Titelessay reibt
sich Spescha mit dem Romanischen, das in fünf Idiome
unterteilt nie wirklich zusammen gefunden habe. Darüber
täusche die politische Unterstützung für
die Rumantschia hinweg, denn alle Versuche zur Einheit scheiterten,
wie er unumwunden äussert, immer wieder am Bollwerk
von Partikularinteressen, Neid, regionalem Patriotismus,
Engstirnigkeit und Angst.
Gerade davon aber wollte sich Spescha nicht leiten, seine
Utopie nicht rauben lassen. Er wehrte sich dagegen, indem
er die unverkrampfte, lustvolle Zwei- und Mehrsprachigkeit
ostentativ pries und lebte. Und indem er auch ohne Scheu
das Beharrungsvermögen in den Bündner Tälern
kritisierte. Spescha war zeitlebens ein Phantast und Träumer,
der sich allerdings gerne zu politischem und kulturpolitischem
Elan hinreissen liess. Dies wird an vielen Stellen in diesem
Band deutlich.
Flurin Spescha pflegte die romansiche Sprache, ein Sprachpfleger
und -heger aber war er nie. Mit seinem allzu frühen
Tod hat die Rumantschia einen Autor verloren, der innovative
literarische Formen erprobte. Diese Lücke ist noch
nicht geschlossen.
Flurin Spescha: Wie wärs mit etwas
Meer? Mit 1 CD. Pendo Verlag, Zürich/München 2002.
Beat Mazenauer
Page créée le: 31.01.03
Dernière mise à jour le
31.01.03
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