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Yusuf Yesilöz
Lied aus der Fremde. Roman. Limmat Verlag, Zürich 2007

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  Yusuf Yesilöz / Lied aus der Fremde

 

ISBN 978-3-85791–519-2

Im Eingang des Postgebäudes liegt ein Toter, ein abgewiesener Asylbewerber. Ohne grosse Motivation macht sich der Polizeibeamte Schenker an die Arbeit, den Mord aufzuklären. Erste Spuren führen zum kurdischen Sänger Kalo Baran, der seit Jahren in der Schweiz lebt und mit einer Schweizerin verheiratet ist. Baran weiss mehr, als er zuerst preisgibt. Und später erzählt er in Bildern, die für Polizisten nur schwer verständlich sind. Schenker jedoch ist zunehmend fasziniert und gleichzeitig verunsichert von der fremden Welt, die sich ihm bei seinen Ermittlungen auftut.

In seinem neuen Roman, der in einer Kleinstadt spielt, führt Yusuf Yes¸ilöz mitten hinein in die unterschiedlichsten Milieus, er scheut sich nicht, auf Ungereimtheiten – auch jene in Migrantenkreisen – hinzuweisen, mit einem Augenzwinkern. Mit feinem Humor und in leisen Tönen zeigt er, dass es den Ausländer und die Schweizerin nicht gibt.


Yusuf Yeşilöz , geboren 1964 in einem kurdischen Dorf in Mittelanatolien, kam 1987 als Flüchtling in die Schweiz. Heute lebt er mit seiner Familie in Winterthur und arbeitet als freier Autor, Übersetzer und Filmemacher. Veröffentlichungen: «Der Imam und die Eselin», «Der Gast aus dem Ofenrohr», «Steppenrutenpflanze», «Reise in die Abenddämmerung», «Vor Metris steht ein hoher Ahorn». Filme: «Zwischen den Welten», «Hungern gegen Wände». Foto Luca Zanier.
Der Film «Zwischen den Welten» von Yusuf Yes¸ilöz wird noch bis Ende April 2007 in über 80 deutschen Städten sowie in Luzern, Basel, Zürich, Bern und Nyon gezeigt.

Yusuf Yeşilöz, Lied aus der Fremde. Roman. Limmat Verlag, Zürich 2007

  En bref et en français

Le rapport au pays natal et à l'étranger sont des thèmes centraux chez Yusuf Yesilöz. Dans „Lied aus der Fremde“, un roman policier, l'auteur kurde établi en Suisse observe la "patrie" sous deux perspectives. D'un côté, la Suisse est ici la patrie des indigènes, des policiers; d'un autre côté, des migrants turcs et kurdes oscillent entre deux patries, dont les traits deviennent de moins en moins familiers. La forme du polar permet paradoxalement à Yesilöz de sonder et montrer les différences de mentalité avec une efficacité particulière. Au centre du roman: un musicien et interprète, Baran, qui va servir d'intermédiaire à la police, mise en échec parce que les étrangers ne lui font pas confiance; mais qui semble lui-même en savoir plus qu'il ne le dit, et pour cette raison devient suspect à son tour.

 

  Lied aus der Ferne , (Beat Mazenauer)

Von Kurden und Kunden

Heimat und Entfremdung sind zentrale Themen bei Yusuf Yesilöz, auch in seiner Krimierzählung „Lied aus der Fremde“. Der gebürtige Kurde beobachtet Heimat von zwei Seiten her: einerseits ist die Schweiz die Heimat von Einheimischen, den Polizisten, andererseits pendeln kurdisch-türkische Einwanderer zwischen zwei Heimaten, die immer fremdere Züge annehmen.

Letzteres spitzt Yesilöz in seinem Roman zu einem Kriminalfall zu, der der Polizei Kopfzerbrechen bereitet. Ein toter Türke, offenkundig ermordet, wirft Fragen auf, die keine Antworten erhalten. Die Polizei tappt im Dunkeln, weil es ihr nicht gelingt, im kurdisch-türkischen Umfeld auf Vertrauen zu stossen in Form von Zeugenaussagen, Mutmassungen und Detailinformationen. Verstocktes, wissendes Stillschweigen allüberall. Dies liegt auch an der Sprache, doch mit dem Musiker und Übersetzer Baran hilft der Polizei ein diesbezüglich erfahrener und in beiden Mentalitäten erprobter Mann. Weil auch Baran mehr zu wissen scheint, als er auf Anhieb preisgibt, gerät er aber selbst in Verdacht.

So ist er ein Teil des Problems. Denn Baran, der mit einer resoluten Schweizer Juristin verheiratet ist, steckt tief im Zwiespalt zwischen seinen Wurzeln und seinem Willen zur Integration. Wie sich allmählich herausstellt, liegt dieser Zwiespalt auch dem zu untersuchenden Mordfall zugrunde. Der ermordete Türke, der illegal in der Schweiz weilte, hatte es nicht geschafft, für sich und seine Familie in eine neue Heimat aufzubauen, was insbesondere seine Kinder verwirrte und verstörte.

Yesilöz benutzt die klassische Krimihandlung vor allem dafür, Einblick in eine höchst komplexe Realität zu geben. Das Schöne am Krimi-Genre ist, dass die Rollen klar verteilt sind zwischen Opfer, Täter, Verdächtigen, Zeugen und Polizisten. Darüber braucht nicht mehr diskutiert zu werden. Umso auffälliger ist es daher, wenn diese Rollen sich verschieben oder überlagern, also ins Wanken geraten. Genau dies macht sich Yesilöz listig und mit feiner Ironie zunutze. „In den Brief hatte sich ein Tippfehler eingeschlichen: Statt ‚Kunden' war da ‚Kurden' zu lesen“, erfährt Baran einmal aus seiner Korrespondenz. Der Verschreiber ist Zufall – und über diesen Zufall hinaus auf gewitzte Weise vielsagend.

Wie sich schnell erweist, steckt nicht nur Baran im Dilemma, auch der Kantonspolizist Schenker ist nicht frei davon. Einesteils ein Vertreter von Recht und Ordnung, der solches mit Nachdruck auch von den Türken fordert, lässt er sich andernteils durchaus zu einer menschlichen Komplizenschaft verführen – nicht zuletzt, weil seine Frau von Barans Musik schwärmt und überhaupt sehr offen ist für fremde Kulturen. Dem kann sich Schenker nicht entziehen. Abgesehen davon, dass er und seine Kumpels ihren Mittagslunch oft beim Döner-Türken einnehmen.

So hat Yesilöz vielleicht keinen brillanten Krimi geschrieben, dafür einen wachen, gewitzten Roman über das schwierige interkulturelle Zusammen- und Aneinandervorbeileben in einer mittleren Schweizer Stadt.

Yusuf Yesilöz: Lied aus der Fremde. Roman. Limmat Verlag, Zürich 2007. 200 Seiten.

Beat Mazenauer



Page créée le: 14.03.08
Dernière mise à jour le: 14.03.08

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