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Beat Sterchi
Ging Gang Gäng. Sprechtexte. Der gesunde Menschenversand, Luzern 2010. 154 Seiten
Blösch. Gelesen von Sebastian Mattmüller. Produktion: Raphael Zehnder. 2 MP3-CD, 18 Stunden Laufzeit. Christoph Merian Verlag, Basel 2010.

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  Beat Sterchi / Blösch" & "Ging Gang Gäng

 
Beat Sterchi - Ging Gang Gäng

Beat Sterchis Romandebüt "Blösch" weckte 1983 augenblicklich die Aufmerksamkeit der literarischen Öffentlichkeit. Die Geschichte der Kuh Blösch und des portugiesischen Fremdarbeiters Ambrosio schilderte eindrücklich, wie sich industrielle Methoden auch in der gern idealisierten Landwirtschaft durchsetzen. Der Roman erhielt beste Kritiken und wurde in viele Sprachen übersetzt – unter dem Titel "La Vache" 1987 ins Französische. Für Beat Sterchi erwies sich dieser Erfolg freilich auch als Last, von der er sich nicht leicht befreien konnte. Nach und nach gelang es ihm dennoch, nicht mit weiteren realistischen Romanen, sondern indem er sich experimentell mit dem Sprachmaterial der Realität auseinandersetzte.

Beat Sterchi / Blösch

Aus alltäglichen Dialogen und Redegewohnheiten destilliert Sterchi einen poetischen Kern heraus und erzeugt so raffinierte sprachliche Verfremdungseffekte. Der berndeutsche Dialekt spielt dabei eine tragende Rolle.

Zwei Neuerscheinungen demonstrieren die Spannweite von Sterchis Schaffens. Zum einen erscheint der Roman "Blösch" als Hörbuch, zum anderen werden seine sonoren poetsichen Experimente (die er häufig auf Bühnen vorträgt) in Buchform unter dem Titel „Ging Gang Gäng“ publiziert. Beide Publikationen illustrieren eine aussergewöhnliche Sprachvirtuosität.

Beat Sterchi: Ging Gang Gäng. Sprechtexte. Der gesunde Menschenversand, Luzern 2010. 154 Seiten. (= edition spoken script, Bd. 3)

Beat Sterchi: Blösch. Gelesen von Sebastian Mattmüller. Produktion: Raphael Zehnder. 2 MP3-CD, 18 Stunden Laufzeit. Christoph Merian Verlag, Basel 2010.

 

  Es Gnusch u Gniet, Beat Mazenauer

En bref et en français - In breve in italiano

Wenn wir das Buch „Ging Gang Gäng“ aufschlagen, erscheint der Realismus von „Blösch“ weit entfernt und zugleich nah. Seit Jahren trägt Beat Sterchi auf der Bühne (als Teil der Gruppe "Berni ist überall"), auf CD oder im Radio seine berndeutschen Sprechtexte vor. „Jä de Gotthäuf“ ist weitherum bekannt, und die aus dem Gotthelf-Fundus geschöpften Alphabete gehören bereits zum kollektiven Poesievermögen: „ gnietig mit Gsetzi u Gitzimischt Gsatz“.
Das jüngste Sterchi-Buch in der Reihe „edition spoken script“ ist so etwas wie eine Bestenauslese zum Selber-Laut-Lesen. Sterchi liebt es, dem banalen Gschtörm und Gnusch seiner Mitmenschen zuzuhören und diesen alltäglichen „Sprachmüll“ (wie er es selbst nennt) in virtuos rhythmisierten Sprechtexten anzuordnen.

Manchmal klingt dies verräterisch naturalistisch – wie beispielsweise „Im Säli“:
„Heit dir scho bschteut?
Wär het öppis bschteut?
Hesch du öppis bschteut?
Ig ha nüt bschteut...“

Wer wie Sterchi genau hinhört, weiss, dass selbst glückende Gespräche aus Füllwörtern und Wiederholungen bestehen, die den Lauf der Rede hemmen und Zeit zum Mitdenken einräumen.

Sterchi destilliert solches Sprachmaterial und verleiht ihm eine strenge ästhetische Form. Daraus entsteht Poesie in Form von Sprechtexten, Lautgedichten und Sprachspielen, in denen die literarische Traditionen der konkreten Poesie oder der französischen OuLiPo-Dichter anklingen. Kennzeichnend ist seine Konzentration auf das eigene berndeutsche Idiom. Hier erfindet sich der Dichter sein poetisches Refugium, wo er „drgäge cha säge, was anger Lüt vowäge nid so grad chöi säge“.
Indem Sterchi Worte und Phrasen hin und her wendet, verlieren sie ihre Gewöhnlichkeit, sie erhalten einen speziellen Klang und erzeugen so raffinierte Verfremdungseffekte. Besitzt das Wort „B-r-a-h-m-s“ nicht etwas Zwielichtiges? Bei Fremdwörtern gelingt dieser Effekt besonders schön: „ Wie hesches de mit em geime!“ Wer könnte auf Anhieb sagen, was das heisst. So werden die Leser mit hinein gezogen, weshalb ihnen angeraten ist, Sterchis Sprechtexte laut zu lesen. Erst so wird ihr Mantra richtig erfahrbar.

Berndeutsch sei schwer? Nein Gott helf:
„ A ischs nid wahr!
B schtimmts nid!
C isch es wyt übertrybe!“

Wie aber hört sich unter diesen Eindrücken Sterchis Roman "Blösch" an? Die Geschichte des spanischen Fremdarbeiters Ambrosio und der Kuh Blösch, die beide im Widerstreit von Bauernstolz und dem "allzu Modernen" den Kürzeren ziehen, ist ein grossartiges Buch geblieben.
Gotthelf klingt in "Blösch" nach, jedoch mit seltsamen Untertönen. Realistisch und zugleich poetisch beschreibt Sterchi den Prozess der Industrialisierung, die längst auch die nur scheinbar idyllische Bauernwelt erfasst. Der vitale Widerspruch verkörpert sich in der Gestalt "des tüchtigen Zuchtgenossenschaftstieres" namens Gotthelf. Dem gehorcht die neue Hörversion des Romans.
Der Vorleser Sebastian Mattmüller und der Tontechniker Raphael Zehnder legen "Blösch" in einer aussergewöhnlichen Produktion vor. Sie haben die Lesung an Originalschauplätzen aufgenommen: also in einem Stall im Obersimmental, oder im Schlachthof Basel. Entstanden ist daraus ein Hörbuch, in dem der Text von authentischen Klängen untermalt ist – mal diskret (Vogelgezwitscher), mal krachend (im Schlachthof). Gerade weil sie ihr Konzept durchhalten und der Vorleser hörbar auf äussere Einflüsse reagiert, wirkt das nicht illustrierend, sondern stimmig und glaubwürdig. Der Text behält jederzeit den Vorrang.
Sebastian Mattmüller – der laut Begleitheft selbst schon auf der Alp gearbeitet hat – "Blösch" mit klarer Diktion. Dialogpassagen variiert er stimmlich, um die einzelnen Sprechrollen diskret zu markieren. So entstehen Hörbilder, in denen Text und Klang gut harmonieren. Gotthelfs Schatten weicht spätestens da, wo die Szenerie vom Knuchelhof zum Schlachthof wechselt. Die alte "Grossvieheinheit" Blösch wird zerlegt, und Ambrosio bleibt an der neuen Arbeitsstelle ein "Fremder" unter seinesgleichen.

Beat Mazenauer

 

  En bref

En bref et en français

Le premier roman de Beat Sterchi, Blösch (1983) – paru en français sous le titre La Vache en 1987 – avait immédiatement suscité lors de sa parution en 1983 l'attention du monde littéraire. L'histoire de la vache Blösch et de l'ouvrier immigré Ambrosio montrait de manière impressionnante comment les méthodes industrielles s'imposaient dans le monde paysan, si souvent idéalisé. Le roman obtint des critiques dithyrambiques et fut traduit dans de nombreuses langues. Pour Beat Sterchi, pourtant, ce succès inattendu fut un poids, et il lui fallut du temps et de l'énergie pour s'en libérer. Peu a peu, il y parvint cependant, mais pas avec d'autres romans réalistes : il entreprit de se confronter à la réalité à travers un rapport expérimental à la langue. A partir de dialogues ordinaires et de tournures toutes faites, Sterchi distille une essence poétique, et crée des effets subtils de distanciation. L'emploi du dialecte bernois y joue un rôle important.
Deux parutions récentes montrent combien le spectre de Sterchi est large. D'une part, Blösch paraît en livre audio ; d'autre part, ses expériences dans le domaine de la poésie sonore (qu'il présente souvent sur scène) paraissent dans un volume, Ging Gang Gäng. Ces deux publications illustrent une virtuosité linguistique peu ordinaire.

***

In breve in italiano

Nel 1983, Blösch , il romanzo d'esordio di Beat Sterchi, risvegliò immediatamente l'interesse del pubblico letterario. La storia della mucca Blösch e di Ambrosio, lavoratore stagionale portoghese, portò l'attenzione sui metodi industriali adottati da un'agricoltura forse a volte troppo idealizzata. Il romanzo ottenne ottime recensioni e venne tradotto in molte lingue. Per Beat Sterchi questo successo si è rivelato però anche una palla al piede, da cui si libererà solo progressivamente, anche se non seguendo il filone del romanzo realistico, ma piuttosto passando allo smembramento della realtà attraverso l'utilizzo sperimentale di materiale linguistico.
Da dialoghi quotidiani e abitudini discorsive, Sterchi distilla un'essenza poetica e provoca raffinati effetti di straniamento linguistico; in questo il dialetto bernese gioca un ruolo essenziale. Le due nuove pubblicazioni di Sterchi dimostrano tutta la portata della sua scrittura. Il romanzo Blösch è ora edito sotto forma di audiobook, invece i suoi esperimenti poetici sonori (che porta sovente in scena) sono riuniti in un volume che porta il titolo Ging Gang Gäng , e tutt'e due i lavori dimostrano una straordinaria virtuosità linguistica.

 

Page créée le: 14.09.10
Dernière mise à jour le: 14.09.10

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