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Das seltsame Wesen
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Da ist es wieder, sagte
die Frau, deren weißes Haar wie ein Schleier über
die Schultern in den Rücken fiel. Sie zeigte mit ihrer
feingliedrigen Hand zur großen Kuppel, in der es alle
Nahrung und alle anderen Bedürfnisse der Naragener zu
kaufen gab.
Die Kuppel schien aus reinem Gold zu
sein und war so riesig, dass beinahe das gesamte Volk der
Naragener darin Platz gehabt hätte. Es gab keine Pfeiler,
keine Stützen, dass man annehmen hätte können,
die Kuppel wäre Stein für Stein erbaut worden. Sie
war ein ganzes Teil und irgendwie ein Wunderwerk, weil sich
viele Besucher fragten, wie sie dieses Bauwerk zustande gebracht
haben.
Neben der Frau stand ein junger Mann,
der ebenfalls langes, weißes Haar hatte, das aber nur
bis zu den Schultern reichte. Um die Stirn trug er ein breites,
ockerfarbenes Lederband. Seine Kleidung war sehr einfach,
- eine Art Toga aus weißem Leinen, die um die Hüften
mit einem bunt bestickten Leinenband zusammen gebunden war.
Seine muskulösen, aber doch feingliedrigen Arme waren
an den Ober- und Unterarmen mit Metallreifen, an denen Edelsteine
funkelten, geschmückt.
Auch die etwas ältere Frau trug
die selbe Kleidung, hatte aber keinen Schmuck und kein Lederband
um die Stirn.
Der junge Mann blickte zum ovalen Eingang
der Kuppel, wo viele Naragener standen und sich unterhielten.
Manche gingen in die Kuppel, andere kamen eben vom Einkauf,
mit voll bepackten Leinensäcken, heraus. Sie alle trugen
weiße Leinentogen, die ihnen fast bis zu den nackten
Knöcheln reichten. Ihr Schuhwerk bestand aus ockerfarbenen
Ledersandalen. Selbst die Kinder waren so gekleidet, - und
alle hatten sie langes, weißes Haar.
Aber unter diesem Volk, das sich vor
dem ovalen Eingang der Kuppel geschäftig bewegte, stach
ein anderes menschliches Wesen hervor. Es war keines aus der
Rasse der Naragener. Es hatte nicht weißes, langes Haar
und auch nicht diese blasse, fast gelbliche Hautfarbe. Und
es war auch nicht so feingliedrig gebaut, aber es hatte die
selben, feinen und wunderschönen Gesichtszüge der
Naragener, - wenn nicht noch schöner...
Es scheint das einzige seiner
Art zu sein, sagte der junge Mann in der wohlklingenden
Sprache der Naragener, die sehr dem Spanisch der Erdenmenschen
ähnlich war.
Er wagte aber nicht länger zu
diesem Wesen zu blicken, das sich so sehr von den üblichen
Besuchern ihrer Dimension unterschied, dass es fast allen
Naragenern unheimlich war, seit es sich vor wenigen Tagen
hier niedergelassen hatte. Es lebte aber nicht in der Stadt.
Es holte sich lediglich fast täglich eine kleine Ration
Nahrung, um dann schnell wieder die belebten Straßen
zu verlassen. Es sprach auch mit niemandem, nicht einmal mit
dem Kassierer in der Kuppel.
Es war auch unüblich, dass nur
ein Wesen einer Art in die Dimension der Naragener kam. Meistens
waren es große Gruppen, oder auch nur Paare, - also
mindestens zwei.
Die Naragener waren keineswegs abgeneigt,
fremde Wesen willkommen zu heißen. Sie waren ein sehr
aufgeschlossenes und friedliches Volk. Aber dieses Wesen,
welches nun seit Tagen vor der Stadtmauer, die ebenso wie
die Einkaufskuppel aus reinem Gold und aus einem Stück
gemacht zu sein schien, auf einem höheren Hügel
saß, war ihnen wirklich nicht geheuer. Sie konnten sich
auch nicht erklären, warum das so war, denn es sah nicht
erschreckend und nicht hässlich aus. Es war, wie bereits
gesagt, sogar noch schöner als das Volk der Naragener,
das man auf manchen Planeten oder anderen Dimensionen das
Volk der Elfen nannte. Und es war auch nicht deshalb, weil
es alleine gekommen war.
Ist es männlich oder weiblich?
fragte die ältere Frau und sah dem fremden Wesen nach,
wie es mit schnellen und langen Schritten in Richtung Stadttor
ging.
Schwer zu sagen, meinte
der junge Mann nachdenklich. Obwohl seine Kleidung eher
männlich ist, denn wie wir von anderen Völkern wissen,
tragen dort die Männer lange Hosen, so wie dieses Wesen.
Es sind schöne Hosen, die es trägt. Sie sehen weicher
aus als unser Leinen und glänzen wie kostbare Seide.
Außerdem ist der helle Stoff reichlich bestickt, wozu
man wirklich sehr feine Hände braucht.
Ja, es sind sehr schön gearbeitete
Hosen. Auch das Hemd, das es über den Hosen trägt,
scheint aus dem selben Stoff zu sein. Es glänzt in der
Sonne und schimmert wie ein Regenbogen.
Seltsam ist nur, dass es keine
Schuhe trägt. Unserer zarten Haut würde das nicht
bekommen.
Wir sollten zum Großen
Rat gehen und fragen, was wir tun sollen, sagte die
Frau, als das fremde Wesen aus ihrer Sichtweite war.
Das ist eine gute Idee, die aber
schon viele von uns hatten. Der Große Rat weiß
sicher, was wir gegen dieses Wesen unternehmen können,
wenn es wirklich gefährlich ist. Aber es trägt keine
Waffen und würdigt uns keines Blickes und keiner Worte.
Es scheint, als ob es uns gar nicht wahrnehmen würde,
obwohl es sich in der Großen Kuppel Nahrung besorgt.
Womit bezahlt es eigentlich?
fragte die Frau.
Es bezahlt mit unserer Währung.
Woher hat es unsere Währung?
Man sagte, niemand hätte gesehen, dass es Geld gewechselt
hat. Für die Besucher, die zu uns kommen, ist der erste
Weg immer in die Wechselstube, - aber dort war es nicht. Ich
weiß das, weil mein ältester Sohn dort arbeitet.
Nun, ich glaube, ich werde heute trotzdem
den Großen Rat aufsuchen. Ich habe Angst um meine zwei
jüngeren Kinder, die sich immer öfter in die Nähe
dieses Wesens wagen, obwohl ich ihnen verboten habe, auf dem
Hügel vor dem Stadttor zu spielen, solange es da ist.
Unsere Kinder sind es gewohnt,
vor dem Stadttor auf den weichen Wiesenhügeln zu spielen.
Sie verstehen nicht, warum sie es jetzt plötzlich nicht
mehr dürfen. Auch meine Geschwister treiben sich gerne
dort oben herum, sagte der junge Mann und wandte sich
zum Gehen.
Die ältere Frau winkte ihm zu
und ging in die andere Richtung.
Die Straße war breit, aus feinen
Pflastersteinen, die silbern funkelten. Vor der Kuppel war
ein großer Platz, mit hohen Bäumen, unter denen
Bänke aus Holz standen. Vereinzelt waren Blumenbeete
angelegt, in denen die seltensten Rosen dieser Dimension den
Anblick der Naragener und den der vielen Besucher aus anderen
Dimensionen, erfreuten. Von diesem Platz aus führte die
Straße weiter durch die relativ große Stadt. Links
und rechts der Straße waren kleine Kuppeln, die ebenfalls
wie aus Gold gemacht wirkten. Es waren die Wohnungen der Naragener,
die innen einfach, aber sehr zweckmäßig eingerichtet
waren. Dieses Volk brauchte auch nicht mehr als einen geschützten
Platz zum schlafen. Die Kuppeln waren härter als Stahl
und hielten jedem Unwetter stand. Es gab nicht viele Unwetter
auf diesem Planeten, aber wenn, dann fielen faustgroße
Hagelkörner vom Himmel, der meist wolkenlos und herrlich
azurblau war. Es war nur selten kalt hier, denn großteils
schien die Sonne und hielt eine stabile und angenehme Temperatur.
Die Kuppeln hatten, ebenso wie die Große Kuppel, wie
die Naragener ihr Einkaufszentrum nannten, ovale Öffnungen,
also keine Türen. Die Naragener waren ein ebenso ehrliches,
wie auch friedliches Volk.
© Elisabeth Blömer
Page créée le 24.08.01
Dernière mise à jour le 24.08.01
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